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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gefunden, die den Indianern solche Jagdgründe ernsthaft streitig machen. Die Bahn bedeutet erst einen sehr dünnen Strich der Zivilisation quer durch ein unbeschriebenes Blatt der Wildnis.«
    »Das eben habe auch ich gehört, und ich will versuchen, mit meinem Pinsel noch einiges von den alten Sitten und Gewohnheiten festzuhalten, ehe die eingeborenen Herren des Landes ganz verschwinden müssen.«
    »Eine friedliche und löbliche Aufgabe. ­ Hallo!« Brown rief nach einem Kellner, aber da dieser im Augenblick beschäftigt war, kam statt dessen ein Mädchen zum Bedienen an den Tisch. »Auch wieder mal da, Joe? Brandy?«
    »Ja, Brandy. Wie geht’s dir, Daisy?«
    »Heiße immer noch Vicky; daß du dich daran nie gewöhnen kannst!«
    »Vicky paßt nicht zu dir. Habe ich dir immer gesagt. Also Daisy! Was macht das Geschäft?«
    »Werde nicht reich dabei. Reich wird nur der Wirt.«
    »Keinen guten Mann gefunden?«
    »Mann schon, aber gut …, gut und Mann, das paßt nicht zusammen. Nur bei einem, da war’s anders.« Das Mädchen schluckte Speichel, und Brown bestellte daraufhin: »Bring Brandy für uns beide!«
    Diese Bestellung wurde rasch ausgeführt. Henry hatte schon für einen Stuhl gesorgt, und das Mädchen setzte sich.
    »Also, wie steht’s und geht’s?« erkundigte sich Brown nochmals.
    Morris, dem das Mädchen unappetitlich war, weil es eine fettige und geschminkte Haut hatte, begriff, daß Brown und Henry von ihr über alles unterrichtet werden wollten, was sich in den einundeinhalb Jahren, in denen sie nicht mehr am alten Platze gearbeitet hatten, zugetragen haben mochte. Die Kellnerin wußte sicher über die Vorgänge im Stationslager ebensogut Bescheid wie ein Kundschafter über die Fährten in einem Landstrich. Vielleicht war sie auch eher unappetitlich als schlecht, und Joe, der den Bahnbau mitgemacht hatte, mochte an solche Gestalten viel mehr gewöhnt sein als Morris.
    Das Mädchen nahm Joes wiederholte Frage auf und schüttete den zweiten Brandy hinunter. Sie war trinkfest geworden. »Taylor I, den du gekannt hast, ist weggegangen. Seit ein paar Monaten haben wir Taylor II, den Lockenhaarigen, als Stationsleiter.« Das Mädchen kicherte.
    »Über den gibt’s manchmal was zu lachen?« fragte Henry.
    »Für uns hier gibt’s manches zu lachen, Junge! Dem Hahnenkampf-Bill seine müßt ihr euch nachher ansehen, die lange Lilly, was aus der geworden ist!«
    »Was gibt’s sonst Neues?«
    Das Mädchen war bereits beim dritten Becher.
    »Seit wann säufst du denn, Daisy?«
    »Seit die Bahn geht und man die Leute sieht, die leben können! Das ist doch ein Dreck hier, in dem man sich abschuftet. Gold hätte man finden müssen! Mit dem Sacramento ist nicht mehr viel los, aber in den Black Hills, heißt es, könnte noch was gefunden werden.«
    »Was gibt’s sonst Neues?«
    »Der Junge, der Harry, der sorgt schon für üble Neuigkeiten.«
    »Wieso? Früher ging doch alles gut.«
    »Laß mich bloß mit Harry zufrieden! Taylor II kriegt bald einen Schlag …«
    »Warum?«
    »Einen Schlag kriegt der, wenn Harry es so weiter treibt. Mit dem Zigeuner zusammen soll er dem blonden Anarchisten zur Flucht verholfen haben, als sie den verhaften wollten. Das sagen alle, beweisen kann es keiner. Ein ganz Verfluchter ist der junge Rote.«
    »Neunzehn Jahre ist er alt«, sprach Morris leise, mehr zu sich selbst.
    »Mit dem kann einem das Lachen vergehen. Wie heißt Ihr? Morris?«
    Der Maler nickte und schob unter der Hand noch ein Geldstück über die Tischplatte. Er hätte es nicht auf eine so diskrete Art zu machen brauchen, denn Daisy- Vicky betrachtete es als selbstverständlich, daß ihre Zeit von den Gästen bezahlt wurde. Sonst hätte sie dem Wirt und den Kollegen gegenüber nicht verantworten können, so lange an einem Tisch sitzen zu bleiben.
    »Harry ist ein verdammter Bursche. Ein Mordhirsch ist der geworden. Skalphaare trägt er an den Nähten, aber nicht nur schwarze.«
    Joe und Morris wechselten einen erstaunten Blick. »Was soll das heißen?«
    »Das war so. Drei von uns haben sich mit ihm gestritten. Wie man sich so streitet. Verdammte Rothaut oder räudiges Schwein, was Ähnliches haben sie zu ihm gesagt. Sie sind alle drei verschwunden. Aber er hat Skalphaare an den Nähten, nicht nur schwarze. Das stumme Scheusal, das er in seinem Zelt hat, die Seminolendirne, näht sie ihm an und freut sich noch. Ich will Daisy heißen, wenn die braune Locke nicht eine Locke von meinem Mackie ist. Den hat er ermordet.«

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