Heimkehr zu den Dakota
hindurch, fast ohne Gedanken, in die graublaue Ferne.
Aus dem Mittagsdunst tauchte etwas auf …, die Gestalt eines Tieres, eines Mustangs, eines Hengstes …
Wie eine Erscheinung, wie ein Dunstgebilde, ohne Regung und Bewegung stand es dort auf dem Hügelkamm …
Harka wußte nicht mehr sicher, ob er noch wachte oder ob er schon träumte. Das war der Falbe. Der junge Indianer starrte wieder das Tier an, dem er schon einmal begegnet war. Beide blieben regungslos, der Mann und der Mustang, und sie schauten einer nach dem anderen hin. Jeder beobachtete den anderen, und keiner rührte sich, lange Zeit hindurch. Harka hatte weder Pferd noch Lasso bei sich. Auch wenn er sie bei sich gehabt hätte, er hätte jetzt nicht jagen dürfen. Es war, als ob der Hengst das wüßte. Er setzte sich in Trab. Leicht, stolz trabte er über die Wiesen und kam der Anhöhe näher, auf der Harka saß. Der junge Indianer sah den Kopf, die kühnen, merkwürdig wilden Augen des Tieres, die geblähten Nüstern. Der lange Schweif wehte beim schnellen Trab. Harka hörte das leichte dumpfe Aufschlagen der nackten Hufe auf dem Grasboden. Die Erregung durchfloß alle seine Glieder.
Der Hengst hatte wieder haltgemacht. Er stampfte und wieherte. Was für eine Kraft in dem Tierleib! Die Muskeln und Sehnen spielten unter dem falben Fell. Jetzt stieg er …, aber ohne zu toben. Er ließ sich wieder herab, und dann flog er dahin, in unerreichbarem Galopp, wie ein Geist der Steppe, deren Geschöpf er war. Das falbe Fell und die dörrenden gilbenden Wiesen verschwammen in eins. Der Huf schlag verklang.
Der Mustang war verschwunden.
Harka kehrte langsam zu seinen Gedanken zurück. Er wollte an diesem und am nächsten Tag mit sich selbst fertig werden. Am dritten Tage, das wußte er, würden die Durstqualen so ansteigen, daß er nur noch zu träumen vermochte.
Mattotaupa war unschuldig.
Er war unschuldig, aber Jim war ein Lump und versuchte noch immer, den verbannten Häuptling zu einem Verräter zu machen und ihm das Geheimnis des Berges und der Großen Bärin zu entreißen. Es mußte Harka gelingen, den Vater von Jim zu trennen. Schon vor Jahren hatte sich in Harka dieser Entschluß festgesetzt. Das Vorhaben war nicht leichter, sondern schwerer geworden. Vielleicht war es schon unmöglich, es noch zu einem guten Ende zu bringen. Harka erschrak vor sich selbst. War es richtig gewesen, daß er den Vater verlassen hatte?
Ja. Harka mußte ein Krieger werden. Dann wollte er seinen Vater wieder suchen. Aber er vermochte sich, nach allem was gewesen war, nicht mehr vorzustellen, wie er noch mit dem Vater sprechen sollte.
Harkas Gedanken begannen zu bohren und zu kreisen. Sie begannen, ihn selbst zu verletzen und sich in Zweifel zu verlieren. Zu wem sollte er als Krieger gehören? Zu den Siksikau? Und wenn sie eines Tages erfuhren, daß Harkas Vater sich betrunken auf dem Boden wälzte, den weißen Männern zum Gespött? Harka hatte das niemandem erzählt. Niemandem hatte er diese Schande eingestanden, nicht seinem Blutsbruder Stark wie ein Hirsch, nicht dem Häuptling Brennendes Wasser, auch nicht dem Geheimnismann. Wenn die Schmach aber eines Tages offenbar wurde?
Oder sollte er zu den Dakota zurückkehren? Als der Sohn eines Häuptlings, den sie heute noch als einen Verräter beschimpfen?
Hier und jetzt, wo er ganz allein war, gestand Harka sich selbst seine Sehnsucht nach der Heimat ein, nach dem Stamm, in dem er geboren war. Keine Gastfreundschaft der Siksikau konnte dieses Verlangen mit den Wurzeln ausreißen. Er begriff, daß ein solches Verlangen auch in seinem Vater gelebt hatte. Warum war Mattotaupa heimlich in das Zelt Untschidas gegangen? Doch nicht nur, um dort Tashunka-witko zu begegnen! In dem einen scheuen, tief verborgenen Gefühl, zu den Söhnen der Großen Bärin und ihren Zelten zu gehören, war der Vater gegen den Sohn und auch der Sohn gegen den Vater nicht offen gewesen. Eben da aber hatten sie einander auch am tiefsten und bittersten verletzt. Mattotaupa seinen Sohn Harka an jenem Tage, an dem er ihn zwang, den eigenen Bruder niederzustechen, Harka aber den Vater beim letzten Abschied.
Was sollte werden? Sollte Harka bei den Siksikau ein Krieger werden, um bei den Weißen wieder als Kundschafter zu dienen? Nein. Die Watschitschun hatten recht, wenn sie ihn lynchen wollten, denn er hatte gelernt, sie zu hassen. Harka dachte an die Botschaft, die ihm die verstümmelte Seminolin mit dem Wampumgürtel aus der Hütte des Osceola
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