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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gemimt, so echt und bezwingend, daß die Knaben im selbst gewünschten Gruseln zu Boden gesunken waren. Der Zauberer, Hawandschita hatte die Knaben dabei überrascht, und sie wurden von den Vätern ­ Harka von dem Geheimnismanne selbst ­ hart bestraft. Harka Steinhart überging in seinen Erinnerungen jene zwölf Tage und Nächte im Zauberzelt, von denen je zu sprechen oder an die auch nur im einzelnen rückerinnernd zu denken, der Geheimnismann ihm strengstens verboten hatte.
    Lange verweilte er jedoch mit seinen Gedanken bei dem Jahre, in dem die Bärenbande aus den Black Hills südwärts zum Platte wanderte, weil die Büffel ausgeblieben waren. Die Begegnung mit dem Unbekannten in der Höhle hatte stattgefunden, Harkas Mutter war von einer Flintenkugel getötet worden, der Knabe Harka hatte zum erstenmal den Kampf der Bärenbande mit den feindlichen Pani miterlebt, und er, der Knabe, hatte die Flinte des Panihäuptlings erbeutet. Diese Flinte hatte er dem Zauberzelte opfern müssen. Das Opfer hatte er nicht aus freien Stücken gebracht, sondern weil es verlangt wurde und weil er trotzig seine Selbstüberwindung beweisen wollte. Das war nicht gut gewesen, und im tiefsten Innern hatte er den Geheimnismann, dem er sich unterwarf, zu hassen begonnen. Er war seitdem von dem Wunsche, ein neues Geheimniseisen zu erhalten, geradezu besessen gewesen. Red Jim war gekommen und hatte Mattotaupa und Harka je eine doppelläufige Büchse neuester Konstruktion geschenkt.
    An diesem Punkte hielt Harka Steinhart Nachtauge, der jetzt ein Krieger werden wollte, mit seinen Gedanken an. Er stellte sich noch einmal genau vor, wie sehr er damals Red Jim bewundert hatte, den Mann, der ihm eine Büchse schenkte! Blind hatte ihn dieses Geschenk gemacht. Das war der zweite Irrtum seines Lebens gewesen. Zuerst hatte er ein Opfer gebracht, das er nicht hatte bringen wollen; dann hatte er einem Menschen vertraut, dem er nicht hätte vertrauen dürfen.
    Es war die Nacht gekommen, in der Red Jim den Gästen des Häuptlings Miniwaken, Geheimniswasser gab, und der Sohn des Alten Raben sowie Alte Antilope sich betranken, so daß sie wie unkluges Vieh im Zelte umhertorkelten. Damals hatte Harka zum erstenmal betrunkene Männer gesehen. Aber sein Vater hatte dem Brandy in jener Nacht nicht zugesprochen, nein, in jener Nacht noch nicht. Der Häuptling hatte Frauen und Kinder aus dem Zelt geschickt, aber Harka hatte sich heimlich angeschlichen und die Männer beobachtet. Er wunderte sich jetzt noch über sich selbst, daß er als Knabe dazu imstande gewesen war, daß er es gewagt hatte! Aber das war gut gewesen, denn er hatte sich auf diese Weise selbst überzeugt, daß der Vater voll und ganz bei Verstand gewesen war.
    Solange Harka ihn heimlich beobachtete, hatte Mattotaupa kein Wort irre geredet. Am nächsten Morgen aber hatten Hawandschita und der große Zaubermann Tatanka- yotanka, der im Zeltdorf weilte, die Anklage erhoben, Mattotaupa habe sich von dem weißen Manne bezaubern lassen und habe einen Verrat begangen. Der Häuptling wurde ausgestoßen. Harka floh und folgte dem Vater in die Verbannung. Das war vor sieben Jahren geschehen, und seitdem irrten die beiden unstet umher. Sie hatten wie Einsiedler im Gebirge gelebt, hatten den Maler Morris begleitet, im Zirkus als Artisten gearbeitet, und endlich hatten sie bei den Siksikau Zuflucht gefunden, bis die Ränke Red Jims sie auch von dort wieder vertrieben und sie Dienste als Scouts annehmen mußten.
    Mattotaupa war unschuldig.
    Harka, der in der Wildnis, ganz mit sich allein, über alles das noch einmal nachdachte, kehrte mit seinen Gedanken immer wieder zu dem einen Punkt zurück: Mattotaupa war unschuldig. Daran durfte niemand zweifeln, daran durfte kein Gedanke rühren. Red Jim hatte kein Gold gefunden, obgleich er nun etwa sieben Jahre danach suchte. Das war Beweis genug dafür, daß Mattotaupa geschwiegen hatte. Alles aber, was dann gekommen war, wurzelte in dem Fehlurteil der Ratsversammlung über den Häuptling. Es wurzelte in der Verleumdung des Geheimnismannes Hawandschita gegen Mattotaupa. So dachte Harka Steinhart. So war es, und anders konnte es nicht sein.
    Harka ließ sein Leben in Gedanken immer wieder bis zu diesem Punkte vor sich ablaufen. Die Stunden verflossen. Es wurde Mittag, und er war mit seinem Nachdenken noch immer nicht weitergekommen. Der Mittagsdunst breitete sich über das Land, und die fernen Prärien verschwammen für das Auge. Harka blickte eine Mittagsstunde

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