Heimkehr zu den Dakota
dem er das Zelt des Häuptlings erreicht hatte, fand er die aufmerksamste Pflege. Als er sich wieder im Zelte umzusehen vermochte, erkannte er seinen Blutsbruder Stark wie ein Hirsch, der sich gleich ihm selbst auf dem Lager ausgestreckt hatte; auch er war schwach, dürr und vertrocknet, immer noch durstig, da die Frauen das Quellwasser nach alter Regel in Rationen und mit Unterbrechung gaben.
Gegen Abend erst fingen die beiden jungen Krieger an, lebendig zu werden.
»Was ist dein Name?« fragte Harka den Blutsbruder.
»Donner vom Berge. Und der deine?«
»Stein mit Hörnern.«
Im Dorfe herrschte große Freude, daß zwei junge Männer die Würde von Kriegern erlangt hatten. Donner vom Berge und Stein mit Hörnern brauchten in den folgenden Tagen keine Wünsche zu äußern. Jeder Wunsch wurde erraten, ehe sie ihn ausgesprochen hatten, und sie erhielten alle Leckerbissen, die die Jagd in Wald und Prärie erbringen konnte. Sobald das Fieber gesunken war, erholten sich ihre Körper rasch. Das Blut kreiste wieder normal, die Augen- und Rachenschleimhäute hatten sich befeuchtet. Die Kopfschmerzen schwanden, der abgemagerte Körper gewann wieder seine Form.
Das, was die beiden jungen Krieger in den drei Tagen der Einsamkeit gedacht und geträumt hatten, blieb Geheimnis und in Schweigen vergraben. Nur den Namen und damit den Schutzgeist hatte der Zaubermann erfahren und bestätigt. Während die beiden Blutsbrüder sich im Zelte erholten, bereitete der Geheimnismann den Beutel mit den Wahrzeichen des Schutzgeistes zu: für Stark wie ein Hirsch den Schnabel und die Augen eines Vogels als Wahrzeichen des Donnervogels, für Harka Steinhart die kleine Muschel, Symbol des Steins mit Hörnern. So war die Erinnerung an seine heimatlichen Zelte und an seinen Stamm auf eine merkwürdige Art in Harkas neuen Namen eingegangen. Den kleinen Beutel mit den Wahrzeichen ihres Namens und Schutzgeistes waren die jungen Krieger künftig bereit noch rücksichtsloser und verbissener zu. verteidigen als selbst ihren Skalp. Die Blutsbrüder erfuhren, daß sie sich gleich weit entfernt vom Dorfe in der Wildnis aufgehalten und zur selben Zeit, mit Sonnenaufgang des vierten Tages, heimwärts aufgebrochen waren. Harka Steinhart war etwas schneller gegangen und zuerst zu den Zelten zurückgekehrt, aber der körperliche Zustand, in dem er sich befunden hatte, war noch schlechter gewesen als der seines Blutsbruders.
In den folgenden Tagen tobte ein Sturm über die ausgedörrte Prärie und über die Wälder. Die Stämme bogen sich, die Blätterkronen rauschten und raschelten, der Staub wirbelte auf. Als der Sturm nachließ, war die große Hitze gebrochen. Die roten Männer konnten die Wärme nicht messen wie die weißen; aber die Luft hatte fast die Hälfte des Siedegrades von Wasser erreicht gehabt, sie hatte »gekocht«, das wußten sie. Schon darum blieben die Tage, an denen Donner vom Berge und Stein mit Hörnern als Blutsbrüder gemeinsam die Weihe als Krieger empfingen, immer denkwürdig. Ihre Probe war besonders hart gewesen.
Sobald die beiden jungen Krieger ganz erholt und wieder voll bei Kräften waren, nahmen sie an den Kulttänzen, am Singen und an den Spielen teil, mit denen ihre Aufnahme in den Kriegerstand von der ganzen Zeltgemeinschaft gefeiert wurde. Häuptling Brennendes Wasser schenkte seinem Sohn und dessen Blutsbruder je ein ausgezeichnetes Pferd, das sich jeder selbst wählen durfte. Stein mit Hörnern entschied sich rasch für eine Schimmelstute, die nach Bau, Schnelligkeit und Schönheit hervorragend war, ihrer auffallenden Farbe wegen aber von den Kriegern und Jägern nicht gern geritten wurde. Bevorzugt waren die Mustangs mit einer natürlichen Tarnfarbe, das hieß also, vor allem die Schecken. Die Schimmelstute war im vergangenen Jahr bei der großen Pferdejagd gefangen worden und somit noch nicht lange gezähmt. Sie hatte im Frühjahr ein Fohlen geworfen, grau, mit dunklem Rückenstrich, dunklem Schweif und dunkler Mähne, kräftig und wild. Wenn das Füllen umherzuspringen begann und voller Übermut ausschlug, flohen die kleinen Kinder.
Als Donner vom Berge der sich selbst erst an seinen neuen Namen gewöhnen mußte die Wahl seines Blutsbruders begutachten sollte, meinte er nur: »Für das, was du unternehmen willst, ist sie das beste Pferd, das wir dir geben können.«
Die großen Herbstjagden auf Büffel standen aber noch bevor, und Stein mit Hörnern konnte daher noch immer nicht seinen persönlichen
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