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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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betrachtete ihn lange und eindringlich, länger und eindringlicher, als dem jungen Mann lieb war. Dann öffnete der Zauberer den Mund und sprach: »Stein mit Hörnern, du verbirgst viel vor uns. Ich frage dich nicht danach. Ich habe dir aber zu sagen, daß die Große Sonne dein Opfer erwartet. Dieser Sommer ist um, aber der nächste wird kommen, und wir können das Sonnenopfer feiern. Das Kriegsbeil ruht in der Erde. Ich denke nicht, daß wir es zum nächsten Sommer ausgraben. Wir werden vielmehr die Geheimnismänner und Oberhäuptlinge der Assiniboine und der Dakota wissen lassen, daß wir der Sonne opfern, und ich denke, sie werden kommen, um unserem Feste beizuwohnen und es mit uns zu feiern.«
    Dem jungen Krieger war das Blut in die Wangen gestiegen. Häuptlinge und Geheimnismänner der beiden Stämme, deren jedem er auf eine besondere Weise zugehörte, durch Geburt und durch Wahl, sollten sich bei der Feier vereinen, deren Mittelpunkt das Opfer war, das er der Großen Sonne brachte.
    »Bist du bereit?« fragte der Geheimnismann.
    »Ich bin es.«
    »So wirst du bei uns bleiben bis zu jenem Tage, an dem wir uns zum Sonnentanz versammeln. Ich werde deinem Blutsbruder Donner vom Berge nicht verwehren, auch daran teilzunehmen. Aber es ist sein freier Wille, er mag für sich entscheiden. Das werde ich ihn wissen lassen.«
    »Ich habe gehört.«
    Der junge Krieger war entlassen und begab sich zurück in das Häuptlingszelt, wo er Brennendes Wasser kurz von der wichtigen Entscheidung unterrichtete. Der Häuptling schien sehr befriedigt davon zu sein.
    In der Nacht, zu der dieser Abend hinleitete, geschah etwas, was niemand hatte voraussehen können.
    Alle hatten sich bereits schlafen gelegt. Die drei Frauen im Häuptlingszelt, Großmutter, Mutter und Tochter, schlummerten dicht beieinander. Auch der kleine Junge schlief bei dieser Gruppe. Der Häuptling und die beiden jungen Krieger hatten sich ihr Lager nach Belieben zurechtgerückt. Stein mit Hörnern hatte es schon als Knabe vorgezogen, nahe beim Zelteingang zu schlafen, und er hatte diese Gewohnheit beibehalten. So lag er auch jetzt mit seinen Decken zunächst dem Zelteingang. Es wurde spät in der Nacht, und alle schliefen tief, denn die Gespräche am Zeltfeuer hatten noch lange gedauert. Nach Stein mit Hörnern war Donner vom Berge zum Zaubermann gerufen worden, und als er zurückkehrte, hatte er seinem Blutsbruder sogleich mitgeteilt, daß er mit ihm zusammen durch den Sonnentanz gehen wollte. Die Entscheidung des Zaubermannes war in aller Augen eine große und ernste Entscheidung, und Sitopanaki hatte an diesem Abend die Hände zusammengepreßt und sich die Nägel ins Fleisch gekrallt, um nach außen hin so ruhig, so aufmerksam und so freundschaftlich-beteiligt zu erscheinen, daß selbst die Mutter nichts von ihren leidenschaftlichen Empfindungen ahnen konnte.
    Nun schliefen alle fest, selbst Stein mit Hörnern, der noch lange darüber nachgedacht hatte, daß es ihm nun verwehrt war, noch vor Einbruch des Winters oder im nächsten Sommer zu seinem Vater zurückzukehren und ihn von allem zu unterrichten, was Mattotaupa wissen sollte. Der junge Krieger hätte dem Willen des Geheimnismannes trotzen und fortreiten können, aber er fühlte in Wahrheit gar nicht den Wunsch, das zu tun. In den Zelten der Siksikau schien alles ruhig und klar, und es graute ihm davor, wieder zu den Watschitschun und zu seinem Vater zu kommen, wo ihn Mißtrauen, Haß und Mordlust erwarteten und er tun mußte, was er nicht mehr tun wollte. Der Zaubermann schien Wert darauf zu legen, daß Stein mit Hörnern bei den Siksikau blieb und in ihre Gemeinschaft hineinwuchs, und die Gedanken und Empfindungen des jungen Kriegers vereinigten sich damit wenigstens zu einem Teil.
    Nach all diesen Erwägungen war Stein mit Hörnern endlich eingeschlafen. Er erwachte aber etwa drei Stunden nach Mitternacht, weil die schwarze Hündin mit den beiden Jungen vor dem Zelte unruhig wurde. Nach seiner Gewohnheit sicherte er sich mit dem ersten Griff das Messer und sprang auch schon auf, weil draußen der Schrei eines Wachtpostens erklungen war. Der junge Krieger stürmte hinaus zu den Pferden, wo der Posten aufgeschrien hatte. Hinter sich hörte er das Laufen und Rufen anderer Männer. Aber was er sah, zwang ihn, sofort selbst zu handeln.
    Der falbe Mustang war in die Herde eingebrochen. Vielleicht hatte er die Tiere gewittert, die aus der Herde, die er als Leithengst geführt hatte, eingefangen waren und bei

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