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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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den Zelten gehalten wurden. Als Stein mit Hörnern des Mustangs ansichtig wurde, machte der Hengst eben den Versuch, die Schimmelstute anzugreifen, die mit dem Mute der Verzweiflung ihr Fohlen verteidigte und hoch ausschlug; sie war nicht gefesselt. Der Fuchshengst stellte sich, entging aber nur mit Mühe dem furchtbaren Gebiß des Falben. Jede weitere Sekunde, in der niemand eingriff, konnte den Tod eines oder mehrerer wertvoller Tiere bedeuten. Stein mit Hörnern hatte weder das Lasso bei der Hand noch eine Schußwaffe. Er wollte den Falben auch nicht töten. Aber er mußte die Herde schützen. Die Wachen schienen wie von einer Geistererscheinung gelähmt.
    Der junge Krieger sprang zwischen die Pferde, schwang sich auf den Rücken des Fuchses und bedrohte von dort mit dem Messer den angreifenden Falben. Der Hengst mochte die Waffe für ein spitzes Horn halten, das in allen Tieren instinktive Furcht erregt. Er wich einen Moment zurück. Als er mit irren, verdrehten Augen, wie im Wahnsinn, wieder angriff, war Harka schon auf den Rücken der Schimmelstute hinübergesprungen. Seine artistische Gewandtheit kam ihm zugute. Er sprang weiter vom Rücken der Schimmelstute auf den Rücken des Falben. Der Hengst, dessen Körper noch nie einen Reiter gefühlt hatte, mußte sich von einem Raubtier angesprungen glauben. Er wehrte sich, rasend schnell, elastisch, wie ein wütender Tiger. Noch war Stein mit Hörnern auf seinem Rücken …
    Donner vom Berge war gleich hinter seinem Freunde zur Herde gekommen, und seine erste Sorge mußte sein, die Tiere am Ausbrechen zu hindern. Er griff mit allen Männern, die herbeikamen, ein, um die Mustangs wieder zur Ruhe zu bringen. Dabei hielt er gleichzeitig Ausschau nach dem Falben und nach seinem Blutsbruder. Der Hengst war auf die nächste Anhöhe galoppiert. Sein Reiter hatte weder Sattel noch Zaumzeug. Er mußte sich nicht nur hüten, von dem sich bäumenden und wegschnellenden Tierleib herabzufallen, er mußte auch dem gefährlichen Gebiß ausweichen.
    Jetzt galoppierte der Falbe ein Stück in die Prärie hinaus. Noch war …, nein, der Hengst begann zu toben, der Reiter stürzte; er war schon wieder auf, rannte um sein Leben, von dem Hengste in Tollwut verfolgt …, er schlug einen Haken, sprang nochmals auf … und stürzte wieder …
    Donner vom Berge hatte sich einen Bogen geben lassen und legte einen Pfeil ein. Stein mit Hörnern mußte das mitten im Kampf mit dem Hengste bemerkt haben. Er schrie: »Nicht schießen!«, war wieder auf dem Pferderücken und wurde in einem wilden Galopp abgeschleppt, irgendwohin.
    Donner vom Berge setzte seinen Fuchs in Bewegung, um nachzureiten, aber das Tier war verängstigt, entfaltete nicht seine volle Schnelligkeit und wäre selbst bei Ausgabe aller seiner Kräfte langsamer als der Falbe gewesen. Schon war das Geisterpferd über Bodenwellen und Täler verschwunden. Sein Hufschlag verklang.
    Donner vom Berge und das gesamte Dorf blieben wach und warteten. Aber Stein mit Hörnern kam in der Nacht nicht wieder zurück. Er war auch am Morgen nirgends zu sehen. Niemand konnte wissen, ob das wahnsinnige Pferd ihn vielleicht irgendwo zerrissen hatte.
    Der nächste Abend sank herein; die Männer und Frauen hielten immer noch Ausschau, aber vergeblich. In der Nacht schlief im Zelte des Häuptlings niemand außer dem kleinen Jungen. Donner vom Berge stand auf der nächsten Anhöhe der Prärie und spähte umher. Endlich, als auch die zweite Nacht ihrem Ende zuging und das Morgengrauen sich verbreitete, bemerkte der junge Krieger in der Ferne etwas, was sich bewegte und vielleicht ein Mensch sein
    mochte. Er sprang auf seinen Fuchs, den er bei sich hatte, und ritt dem entgegen, und bald erkannte er, daß es ein Mann war, der zu Fuß auf die Zelte zukam, aber nicht im Dauerlauf, sondern Schritt für Schritt. Das war Stein mit Hörnern.
    Als der Siksikau seinen Freund traf, begann er zu ahnen, was sich abgespielt hatte. Blutverschmiert, zerstoßen stand Stein mit Hörnern vor ihm. Haare waren ihm ausgerissen, Schultern, Rücken, Hüften blau unterlaufen und angeschwollen, aus einer Wunde am Oberschenkel lief Blut und verklebte sich an der Haut. Er hinkte.
    Donner vom Berge bot dem Verletzten seinen Fuchs an, aber Stein mit Hörnern winkte ab und lief mit allen Beschwerden weiter, bis er, von dem Siksikau begleitet, die Zelte erreichte. Er ging daran noch vorüber und zunächst zu der Quelle, um sich vom Staub zu reinigen. Donner vom Berge kam mit. Als sich

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