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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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links, auf der Südseite, umgehen, Donner vom Berge rechts, auf der Nordseite. Oberhalb des Moores wollten sie sich treffen und sich dem Mustang von zwei Seiten her auf Lassolänge nähern. Das Moor versperrte dem Tier dann den Fluchtweg.
    Die Voraussetzung für das Gelingen des Unternehmens war, daß sich der Falbe lange genug am jetzigen Platz aufhielt. Die Jäger durften nicht einen einzigen Augenblick verlieren. Sie legten die schweren ledernen Winterröcke ab, um ganz beweglich zu sein, trennten sich und huschten davon, jeder in der vorgesehenen Richtung. Donner vom Berge hatte den längeren Weg, aber Stein mit Hörnern lief nicht weniger schnell. Er hatte die Absicht, oben am vereinbarten Platze auf den Gefährten zu warten. Die beiden durften sich weder sehen noch hören lassen, sonst entfloh der Mustang sofort. In bezug auf die Schärfe seiner Sinne und seiner Fähigkeiten zu beobachten, hatten sie schon die erstaunlichsten Erfahrungen gesammelt. Das war ein Leithengst gewesen, wie er sein sollte, wie es ihn aber in Jahrzehnten nur einmal gab. Stein mit Hörnern schlich sich geräuschlos durch den Winterwald aufwärts. Er querte eine Wildspur und wurde immer vorsichtiger, je mehr er sich der baumlosen Höhe näherte. Als er die Quelle erreichte, hatte er bei windzerzaustem Tannengestrüpp noch einmal ein gutes Versteck und zugleich einen guten Ausblick. Er machte halt, um den Mustang zu beobachten, den er jetzt in ganzer Gestalt sehen konnte.
    Das Tier hatte oberhalb des Moores alte Gräser und Stauden gefunden, von denen die Schneedecke abgeweht war, und fraß. Mit seinen scharfen Zähnen, die der junge Krieger kennengelernt hatte, durchschnitt es die Halme und riß harte Zweige ab, um sie dann zu zermahlen. Der Mustang war hungrig, aber er sah nicht aus, als ob er unter Hunger litte. Unter dem Winterfell war noch genug sehniges Fleisch auf den Knochen.
    Stein mit Hörnern schlich weiter. Er schlug einen Bogen, um bessere Deckung zu behalten. Die Sonne strahlte jetzt frei über alle Höhen und Hänge, die Wolken hatten sich ganz verzogen. Der junge Krieger gelangte über die Höhe des Moores, ohne daß der Mustang Verdacht geschöpft hätte. Von Donner vom Berge war nichts zu bemerken; auch er löste seine Aufgabe sehr gut. Stein mit Hörnern drang in das Krummholz oberhalb des Moores ein und schlich abwärts, in schräger Linie auf den Mustang zu. Das Tier hatte aufgehört zu fressen und äugte über das Moor.
    Der Indianer kam ihm auf die Entfernung eines Lassowurfes nahe. Die Versuchung, allein zu handeln, war groß, doch beherrschte der junge Krieger sich selbst und bezwang alle voreiligen Wünsche. Wenn er allein das Lasso warf, konnte der Mustang immer noch ausweichen. Stein mit Hörnern wollte aber so sichergehen, wie es möglich war. Mit einer leichten Bewegung eines Zweiges gab Donner vom Berge dem Gefährten das Zeichen, daß er die verabredete Stelle erreicht hatte. Auch er war von dem Pferde nur noch um eine Lassolänge entfernt. Die Gefährten hatten ausgemacht, daß Stein mit Hörnern den ersten Wurf ausführen sollte. Nur wenn der Wurf mißlang und es sich als notwendig erwies, daß Donner vom Berge eingriff, wollte auch dieser handeln.
    Der Mustang stand wie aus Stein gehauen. Nur seine Haut zuckte, und einmal war es, als ob ein Zittern durch seinen ganzen Körper liefe. Er hatte den Kopf hochgehoben und die Ohren gespitzt; so äugte er noch immer über das verschneite Moor hinab, irgend etwas erwartend, was nur in der Vorstellung seines verwirrten Hirnes vorhanden sein konnte. Diesen Moment benutzte Stein mit Hörnern. Er richtete sich auf, ohne dabei irgendein Geräusch zu verursachen. Das Tier drehte ihm den Rücken zu. Es konnte ihn nicht sehen. Der Moment schien unwiederbringlich günstig. Der junge Krieger stemmte die Füße ein, warf die Schlinge und faßte das Ende des Lassoriemens mit aller Kraft, denn er mußte den Ruck durchstehen können, der erfolgte, sobald sich die Lassoschlinge um den Hals des Tieres zuzog und der Hengst dagegen anging. Wenn der Indianer den Ruck nicht abfing, lief das Tier samt Lasso weg, oder er selbst wurde von dem Hengst geschleift.
    Die große Lederschlinge wirbelte durch die Luft und senkte sich genau über dem Kopf des Hengstes.
    Der Mustang reagierte blitzschnell, in Bruchteilen einer Sekunde, obwohl er völlig unvorbereitet gewesen war. Er fing die Lederschlinge mit dem Maule ab, biß darauf und setzte an, um mit dem Lasso am Rande des Moores entlang

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