Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)
los, auf der Stelle! Er hat es nicht so gemeint.«
»Und ob ich es so gemeint habe«, quetscht Holm hervor, »elender Eisenfresser!«
»Verfluchte Tanzschwuchtel!«
»Schluss jetzt, alle beide! Dankevicz, lassen Sie ihn endlich los, verdammt!«
»Irgendwelche Probleme bei Ihnen da oben?« Die Anführerin der Schwestern hat die Patrouille anhalten lassen und ist, wahrscheinlich nur um nicht noch lauter rufen zu müssen, zu uns den Berg hochgekommen und steht nun etwas atemlos, die Hände in die Taille gestemmt und das rechte der weiß kniebestrumpften Beine am steilen Berg nach oben vor sich aufgestellt, direkt unter Dankeviczs Terrasse, pustet sich eine lange Haarsträhne, die ihr aus dem Knoten unter der Haube gerutscht ist, aus der Stirn und wackelt dabei leicht mit den Schultern. »Können wir Ihnen irgendwie helfen, Dr. von Stern?«
»Oh … nein nein, vielen Dank, Schwester, alles in Ordnung. Kleine Scherze unter Kollegen, weiter nichts.«
Dankevicz hat Holms Kopf augenblicklich losgelassen und streicht ihm die Haare zurecht, während Holm der Schwester zuschnurrt:
»Ja, alles in Ordnung, danke, Schwester, gute Arbeit, weiter so!«
Sie zuckt träge angewidert mit der rechten Schulter, steigt dann aber langsam, den Rücken gegen die Abwärtsbewegung ins Hohlkreuz überstreckt und gewissenhaft mit dem Hintern wackelnd, wieder hinunter, und stockend atmen wir alle drei auf bis in den Kehlkopf, weiter geht’s nicht.
33.
Referenten schwindeln noch immer auf Liegestühlen, doch die beiden anderen haben sich augenscheinlich schon wieder weit besser im Griff als ich, in einem enervierenden Kanon entschuldigen sie sich gegenseitig beieinander, bis ich belästigt aufstöhne und Dankevicz diese hausübliche copa di culpa mit einem abschließenden Räuspern für unentschieden erklärt. So kann Holm schließlich für den Mitschnitt, der hinter unseren Rücken gemacht wird, zum Protokoll übergehen:
»Halten wir fest: Dr. Dankeviczs Versuch, gemeinsam einen Anfang für Dr. von Sterns Eigenbericht zu finden, müssen wir als desaströses Fehlverhalten – nein, lassen Sie mich bitte ausreden, lieber Kollege – als desaströses Fehlverhalten einschätzen, gleichwohl wir anerkennen, dass es in der besten, der allerbesten aller Absichten geschah. Ich unterstelle Dr. Dankevicz daher nicht länger, Dr. von Stern durch eine solch regelwidrige Hilfe schaden gewollt zu haben. Dr. Dankevicz anerkennt im Gegenzug, dass ich seinen Verstoß gegen die Abfassungsregeln und gegen den Sinn des Eigenberichts nicht aus Feigheit unterbunden habe, sondern ausschließlich, um schlimmen Schaden von uns allen und vor allem von Dr. von Stern abzuwenden. Korrekt?«
Dankevicz nickt ein paarmal schmatzend und mit halbgeschlossenen Augen, und Holm schließt erschöpft oder eher selbstzufrieden seufzend das Protokoll ab:
»Na schön, womit wir wieder beim status ante tumoris wären: Dr. von Stern hat schleunigst seinen Eigenbericht in Angriff zu nehmen und …«
» Und das haben wir gewusst .«
»Ach kommen Sie, von Stern, nehmen Sie sich zusammen! Heute Abend, wenn Sie die erste Behandlung der Ambulanten überstanden haben – sie hat doch heute Nachmittag ihren ersten Termin bei Ihnen, oder? – gut, also heute Abend legen Sie sich schön in Shavasana und beginnen mit Ihrer Rechenschaft. Machen Sie ein paar gründliche Anamnesen, lassen Sie Ihren Mediator sich an die Wahrheiten erinnern, die er geschaut hat, bevor er sich mit Ihrem Körper vereinigt hat.«
»Hm.«
»Und dann bringen Sie sich wieder in Erinnerung, warum Sie Arzt geworden sind. Denken Sie einfach daran, was Sie einst hierher geführt hat, wird Ihnen Feuer unterm Arsch machen. Und dann läuft die Sache wie am Schnürchen, einfach die letzten zwanzig Jahre runterhauen, Augen zu und durch, gottlob ist Tristitia ja blind.«
»Warum sind Sie eigentlich Arzt geworden, Holm?« Dankevicz scheint plötzlich ungewöhnlich wach, und in seinem Ton liegt nichts Spöttisches, sondern bloß verwunderte Neugier. »Ich glaube, das weiß ich gar nicht, sonderbar, obwohl ich doch wegen des phallographischen Checks bei der Einstellung immer die gesamte Akte zu sichten bekomme. Ich bin mir sogar recht sicher, dass ich Ihre Akte damals in der Hand hatte, ja doch, ich sehe sie vor mir, ein leuchtend gelber Aktendeckel, aber ich weiß gar nicht, ob überhaupt irgendwas darin war …«
»Keine Ahnung«, Holm zuckt lässig die Schultern. »Hab mich nie um meine Akte gekümmert, hab keine
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