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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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Stern!«
    »Nein, aber wirklich, ich bitte Sie , Dr. Holm.«
    Wir lachen blödsinnig, atmen dann tief in die gequälte Rippe hinein, und Dankevicz schüttelt milde verärgert den Kopf:
    »Wenn schon, dann machen Sie’s wenigstens richtig, am rechten Sitzhöcker einatmen, über das linke Schlüsselbein wieder ausatmen, kurz am Schambein halten, Steiß triumphiert, und dann umgekehrt am linken Sitzhöcker wieder ein-«
    »Ach halten Sie Ihr Wasser, Dankevicz«, Holm tritt auf die Terrasse und beginnt, meine Bilder aufzulesen. »Oh je, Sie hat’s aber ganz schön erwischt, von Stern, das ist ja weit schlimmer, als ich dachte.«
    »Tja, ich hätte ihm ein harmloses Phallogrämmchen lesen können, aber das wollte er ja nicht«, Dankevicz greift ächzend unter den Liegestuhl nach einer Hantel, beginnt ruhig und genau zu arbeiten und schaut dabei verklärt und doch wachsam auf seinen Bizeps hinab wie eine Mutter auf den Säugling an ihrer Brust. »Und jetzt hat er nur noch Dreck vor sich. Erklären Sie’s ihm, Holm!«
    »Na na, das kann man aber auch anders sagen«, Holm wirft mir seinen Tabaksbeutel zu, zieht sich bis auf die weißgoldene Trainingsunterhose aus und fängt mit lasch auf den Boden klatschendem Seil langsam an sich einzuspringen. »Er muss halt seine Erinnerungen als Konfabulationen erkennen, dementsprechend ablöschen, fabula rasa, und dann ist wieder gut. Aber das ist ihm ja selbst klar, oder, Kollege?«
    Er beugt sich zu mir herab, um sich eine angezündete Zigarette in den Mundwinkel stecken zu lassen, springt dann weiter, strafft und überkreuzt nun das Seil, zieht mit jedem Sprung die Knie höher an die Brust und stößt dabei keuchend den Rauch aus. Seine Zigarette ist schneller durchgezogen als ich die Zigaretten für Dankevicz und mich auch nur drehen kann, und nachdem er den Stummel ausgespuckt hat, springt er wieder gemächlicher und redet dabei eindringlich, ganz ohne seine lässige Müdigkeit auf mich ein:
    »Bei Ihnen sind Erinnerungsspuren weithin über die gesamte Hirnrinde verteilt, und weil Sie diese Spuren munter in Ihrem Liquor mariniert haben, befinden sich nun überall in Ihrem Gehirn Erinnerungen. Das allein wäre ja noch kein Problem. Das Zeug liegt eben überall da rum, wo es aufgenommen wurde, das sind Kontaminationen, für die Sie nicht verantwortlich gemacht werden können. Aber Sie müssen das Zeug jetzt verdammt noch mal da liegen lassen, wo es ist, und nicht weiter damit rumfummeln.«
    »Glauben Sie, ich bin dämlich?«
    »Nein, natürlich nicht, ich weiß, dass Sie das nur zu gut wissen, aber augenscheinlich entgleitet Ihnen dieses Wissen gerade. Verzeihen Sie meinen Ton, aber Sie müssen jetzt wirklich einsehen, dass all das Zeug, das Sie für gelebte Erinnerungen halten, keine sind, sondern bloß ikonisches, ultrakurzwertiges Stimulationsmaterial. Und ja, dummerweise gibt es dazwischen auch die ein oder andere höherstufige, gewissermaßen tiefergelegte neuronale Spur, eine Selbst-Welt-Verbindung, in der zwei Repräsentationen, nämlich ein Zustand Ihres Selbst und Vorgänge in der Welt sich verbinden, und diese Spur wird Ihnen bewusst, sobald diese Verbindung erneut aktiviert wird. Aber es ist nur eine alte Verbindung ohne Anschluss, weiter nichts. Sie können nur die Verbindung, aber nie die Repräsentation selbst aktivieren, da ist immer nur dieses Scheinfeuer einer Handreichung, aber nie zwei Hände, die einander tatsächlich fassen könnten – da ist nichts, weil da nie was war, verstehen Sie? Diese Spuren sind nicht Ihre eigenen, hören Sie?«
    »Herrgott, Holm, das ist mir doch klar!«
    »Nein, ist es momentan leider nicht ganz. Deshalb sag ich’s Ihnen noch mal: Diese Spuren sind bloß erinnerungssuspekte Anhaftungen, die dummerweise bei der Übertragung mit rübergekommen sind. Das hat nichts mit Ihnen zu tun, weil – drehen Sie mir nicht den Kopf weg, Dr. von Stern! – da ist nie etwas gewesen, nie! Sie müssen also, da Sie es nun mal nicht lassen konnten ihn anzufassen, den alten Plunder in yogischer Transformation wieder zurück in die Gegenwart überführen und nicht glauben, dass es jemals etwas anderes in Ihrem Leben gegeben hat als diesen Moment hier, jetzt, verstehen Sie mich?«
    Schnaufend hört er auf zu springen, setzt sich ans Fußende meines Liegestuhls, lächelt wieder sein übliches müdes Raubtierlächeln und zückt kurz sein grünes Augenfeuer:
    »Ich weiß, ich weiß, natürlich ist das alles Unsinn, aber Sie müssen jetzt da durch, wie wir

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