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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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aus.
    Ich starrte auf die große Holztüre, als ob ich dort ein karges Wunder erleben würde. Allmählich wurde mir klar, daß ich Angst hatte und das Kloster nicht betreten wollte. Das überraschte mich; und wie in einem Reflex stieg ich aus meinem Wagen, rannte zur Tür und hämmerte so laut ich konnte dagegen.
    Der Mann, der aufmachte, sah frisch und geschrubbt aus. Er war klein und sah kultiviert aus, aber ich hatte eine leise Vermutung, daß er auch langwierige, schlechte Zeiten erlebt und sie überwunden hatte. Er nickte ernst und bat mich in einen langen Korridor, der aus demselben weißgetünchten Zement war wie das Äußere des Gebäudes.
    Am Ende des Ganges konnte ich eine Art Versammlungs- oder Gebetshalle sehen.
    Der Mann, der alles zwischen dreißig und fünfundvierzig hätte sein können, sagte mir, daß der Prälat bei seiner Frau wäre und in ein paar Minuten da sein würde.
    »Könnt ihr Kerle denn heiraten?« fragte ich.
    Er antwortete mir nicht, sondern schob nur eine kleine Holztüre in die Korridorwand und wies hinein. »Bitte warten Sie hier«, sagte er und schloß die Tür hinter mir. Der Raum war eine Mönchszelle, karg und schmucklos möbliert. Ich prüfte die Tür. Sie war unverschlossen. Tatsächlich hatte sie gar kein Schloß - ich konnte gehen, wenn ich wollte. Es gab ein gitterloses Fenster ungefähr in Augenhöhe eines großen Mannes. Ich linste raus und sah einen Garten hinter dem Kloster. Ein Mann in schmutzigem Drillich hackte gerade ein Radieschenbeet. Ich steckte meine Finger in den Mund und pfiff ihm. Er wandte den Kopf in meine Richtung, lächelte breit, winkte und machte sich wieder an die Arbeit.
    Fünf Minuten lang starrte ich in unheimlicher Stille die nackte Glühbirne an, die die Zelle erleuchtete. Dann kam meine Eskorte wieder und sagte mir, daß der Prälat von Will Berglund benachrichtigt worden und darauf bedacht wäre, mir jede denkbare Hilfe zu leisten. Und er fügte hinzu, daß die Ordensbrüder des Heimlichen Herzens -obschon sie sich vom Tand dieser Welt fernhielten - es für ihre Pflicht hielten, sich an den wichtigen Angelegenheiten des Lebens zu beteiligen. In der Tat wäre dies in vielerlei Hinsicht der wichtigste Grundsatz ihres Glaubens. Das ganze Geseiere war so undurchsichtig wie alle übrigen religiösen Litaneien, die ich in meinem Leben gehört hatte, aber das sagte ich dem Mann nicht. Ich nickte nur stumm und hoffte, daß ich einigermaßen ehrerbietig aussah. Er führte mich am Hauptbetsaal vorbei in ein kleines Zimmer, das ungefähr doppelt so groß war wie die Mönchszelle. Es war mit zwei Klappstühlen aus Metall ausgestattet, auf denen »Allgemeines Krankenhaus Milwaukee« stand. Er sagte mir, der Prälat würde umgehend bei mir sein, dann schlurfte er zur Tür hinaus und ließ sie angelehnt.
    Der Pälat erschien eine Minute später. Er war ein robuster, untersetzter Mann mit pechschwarzem Haar und sehr dunklen, rauhen Bartstoppeln. Er war wahrscheinlich irgendwas über vierzig, aber sein Alter war, wie gesagt, schwer zu schätzen. Ich stand auf, als er den Raum betrat. Wir gaben uns die Hand, und als er mir wieder Platz anbot, sah er mich sehr geschäftsmäßig an. Er setzte sich und ließ einen donnernden Rülpser los. Das war ein vorzüglicher Eisbrecher.
    »Jesus«, sagte ich spontan.
    Der Mann lachte. »Nein, ich heiße Andrew. Er war nicht einmal ein Apostel. Sind Sie mit der Schrift vertraut, Mr. Underhill?«
    »Früher mal. Man hatte mich dazu gezwungen. Aber ich bin nicht das, was Sie einen Gläubigen nennen würden.«
    »Und Ihre Familie?«
    »Ich habe keine Familie. Meine Frau ist Jüdin.«
    »Aha. Was hatten Sie für einen Eindruck von Will Berglund?«
    »Den eines schuldgeplagten Mannes. Eines anständigen, feinen Mannes. Möglicherweise eines aufgeklärten Mannes.«
    Andrew lächelte mich an. »Was hat Will Ihnen von unserem Orden erzählt?« fragte er.
    »Nichts«, sagte ich. »Obwohl ich zugeben muß, daß er für den Intellekt wohl eine gewisse Anziehungskraft haben muß, andernfalls wäre ein intelligenter Mann wie Berglund nicht so darauf abgefahren. Aber was mich interessiert, ist, warum John DeVries -«
    »Über John reden wir später«, unterbrach mich Andrew. »Was mich interessiert, ist die Frage, was Sie mit den Informationen anstellen, die ich Ihnen gebe.«
    Die asketische Umgebung und Andrews geduldige Stimme fingen an, mich zu irritieren, und ich fühlte wieder die schwarzen Ränder in meinem Blickfeld erscheinen.

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