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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Will Berglund hatte auch ihn geschickt. Ich glaube, es war 1949 um Weihnachten herum. Er war keine Marcella. Er war ein verletzlicher Drogenabhängiger mit einer Menge Selbsthaß. Er versuchte, sich den Weg hierher zu erkaufen. Schmutziges Geld, das er beim Handel mit Drogen verdient hatte. Er unternahm halbherzige Versuche, unsere Botschaft zu hören, aber -«
    »Haben Sie hier jemals ein Waisenhaus geführt?« warf ich ein.
    »Nein, dazu braucht man eine Genehmigung. Wir dienen anonym, Mr. Underhill.«
    »Hat John DrVries jemals eine Frau namens Margaret Cadwallader erwähnt? Oder ein uneheliches Kind, das die beiden zusammen hatten?«
    »Nein, John redete meist über chemische Formeln und die Frauen, zu denen er sexuelle Beziehungen hatte, und -«
    Ich stocherte in einer Dunkelheit herum, die zusehends heller wurde. »Und er hat seine Erinnerungen hiergelassen, stimmt’s, Andrew?«
    Andrew zögerte. »Er hat eine Schachtel mit persönlichen Dingen zurückgelassen, ja.«
    »Ich möchte sie einmal durchsehen.«
    »Nein, nein. Tut mir leid, das können Sie nicht, ich habe den Inhalt des Kartons durchgesehen und keine Drogen entdeckt, also war ich so anständig und habe John versichert, daß seine Sachen hier immer sicher sein würden. Nein, ich kann Sie sie nicht sehen lassen.«
    »Er ist tot, Andrew. Von dieser Sache könnten noch andere Menschenleben abhängen.«
    »Nein. Ich werde sein Vertrauen nicht mißbrauchen. Das ist mein letztes Wort.«
    Ich faßte unter meine Jacke und zog meine 38er aus meinem Gürtel. Ich beugte mich vor und legte den Lauf mitten auf Andrews Stirn. »Sie zeigen mir diesen Karton oder ich bringe Sie um«, sagte ich.
    Es dauerte eine Weile, bis er mir glaubte. »Meine Arbeit verlangt, daß ich Ihnen nachgebe«, sagte er.
    »Dann wissen Sie ja, warum ich das tun muß, was ich tue«, sagte ich.

    Die Schachtel war muffig, modrig und mit Spinnweben überzogen. Und sie war schwer; ganze Berge von Papier, die durch die Feuchtigkeit noch schwerer geworden waren. Ich trug sie unter Andrews wachsamen Blicken zu meinem Wagen. Er ließ mir eine Art beidhändige Segnung zuteil werden, als ich sie in meinen Kofferraum sperrte.
    »Soll ich sie Ihnen zurückbringen?« fragte ich.
    Andrew schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, Sie haben mir den Schwarzen Peter abgenommen, soweit es Gott betrifft.«
    »Was haben Sie da eben für ein Zeichen gemacht?«
    »Ich bat um Gottes Gnade für Leser finsterer Geheimnisse.«
    »Haben Sie irgend etwas davon gelesen?«
    »Nein.«
    »Woher wissen Sie dann, was drin ist?«
    »Sie wären nicht hierhergekommen, wenn auf diesen Seiten nur Fröhliches stünde.«
    »Danke«, sagte ich. Andrew antwortete nicht; er sah einfach zu, wie ich fortfuhr.

    Ich nahm mir ein Zimmer in einem Motel in Fond-Du-Lac und ließ mich nieder, um die Memoiren von John DeVries zu lesen.
    Ich leerte den Inhalt des muffigen Kartons auf mein Bett und machte drei ordentliche Stapel, jeder ungefähr dreißig Zentimeter hoch. Ich überprüfte jeden Stapel kurz, um zu sehen, ob die Handschrift leserlich war. Das war der Fall. Die schwarze Tinte war durch Feuchtigkeit und Alter verschmiert, aber DeVries hatte eine schöne, präzise Handschrift und einen Erzählstil, der seine Drogen- und Tobsucht Lügen strafte; er schrieb sowohl in chronologischer als auch thematischer Einheit. Die Seiten waren nicht nach Datum geordnet, aber es stand auf jeder Seite oben. Ich ging alle drei Stapel durch und ordnete sie nach Monaten und Jahren.
    John DeVries’ Aufzeichnungen erstreckten sich über die Kriegsjahre und vor allem beschrieben sie ausführlich, wie fasziniert er von Doc Harris war und wie er sich diesem unterwarf. Doc Harris, der das Leben von Johnnys dominierender Schwester beherrschte, der sein Vater und Lehrer und noch mehr geworden war; der seine ziellose Wut genommen und geformt hatte. »Johnny der Vollstrecker« mußte nur an der Seite seines Gurus furchterregend dreinschauen und gewann so mehr Respekt, als er jemals gekannt hatte.
    Johnnys Aufgabe war es, die unbotmäßigen Einbrecher und Kunden in den Senkel zu stellen, die für Doc als Mittelsmänner fungierten:

    5. November 1943
»Heute morgen fuhren Doc und ich nach Eagle Rock, vorgeblich, um eine Ladung Radios aus unserer Garage dorthin und dann weiter zu unserem Abnehmer in San Bernardino zu schaffen. Doc hielt mir einen Vortrag über moralischen Terror, während ich fuhr. Er redete von der Beschränktheit, der 99,9% aller Menschenleben

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