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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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ein Vogel. Koah! Koah! Koah! Früher war ich George, bei George! Und George war mir egal, aber die Patres wußten das nicht! Es war ihnen egal!«
    »Was war ihnen egal, George?«
    »Ich weiß nicht! Ich wußte es, als ich noch George war, aber jetzt weiß ich es nicht mehr!«
    Ich kniete mich neben den alten Mann und legte ihm einen Arm um seine Schultern. »Kannst du dich noch an Johnny DeVries erinnern, George?«
    Der alte Uhu fing an zu zittern, und sein Gesicht lief rot an -trotz der weißen Narben. »Der Große John, der Große John, Dickschädel, Sauerkrautfresser. Der Große John, er konnte die chemischen Elemente von hinten aufsagen! Er hatte ’nen Schwanz so groß wie ’ne Salami! Ohne Schuhe zwei Meter vierundfünfzig groß, der Große John! Der Große John!«
    »War er dein Freund?«
    »Toter Freund! Toter Mann! Guy Fawkes. Willkommen daheim, Amelia Earhart! Auferstanden, der Große John! Der Große John ist heimgekehrt! Konnte einen Bunsenbrenner nicht von einer Salami unterscheiden, aber ich hab’s ihm beigebracht, bei George, ich hab’s ihm beigebracht!«
    »Woher bekam er sein Morphium, George?«
    »Der Nigger hatte das Zeug - Johnny hat nur die Mäuseknochen bekommen. Der Nigger bekam den Kuchen und Johnny die Kruste!«
    Ich packte den Uhu an seinen knochigen Schultern. »Wer hat Johnny umgebracht, George?«
    »Der Nigger hatte den Kuchen, Johnny hatte die Krümel! Johnny Krümel-Dümel! Johnny sagte, der Schlitzer hätte den Pfeifer bezahlt, der Schlitzer würde mich schon kriegen, aber ich hab’ meine Erinnerungen im Kloster bekommen! Buddha kriegt den Schlitzer schon noch! Und macht mein Buch zum Bestseller!«
    Ich packte den Uhu noch fester, bis ich seinen verklebten Bart im Gesicht hatte. »Wer ist der Schlitzer, gottverdammt?!«
    »Gibt keinen Gott, Johnnyboy. Der Buddhist hat das Buch, und die glauben nicht an Jesus. Karussell ist nur fair, Jesus glaubt nicht an Buddha! George glaubt nicht an George, bei George, das wär’s dann, George!«
    Ich ließ den Uhu los. Er äffte die Seemöwen nach, die über dem Ufer flogen, und flatterte mit seinen abgezehrten Armen, voller Sehnsucht, es ihnen gleichzutun. Trotz der winzigen Wahrscheinlichkeit, daß Gott existierte, sagte ich ein stilles Gebet für ihn auf. Ich ging zurück zu meinem Wagen und wußte, daß ich von seinem verwüsteten Verstand genug mitbekommen hatte, um wenigstens nach Fond-Du-Lac zu kommen.

22
    Ich nahm mir ein Zimmer in einem Motel an der Blue Mound Road und schlief sechzehn Stunden am Stück. Ich träumte von Michael und Lorna, die in Rettungsbooten auf einem Meer voller Flugzeug-Klebstoff trieben. Kurz vor Morgengrauen wachte ich auf und rief Will Berglund in Tunnel City an. Hatte der Orden zum heimlichen Herzen ein Kloster in der Nähe von Fond-Du-Lac? Ja, sagte er, hatte er. Seine Stimme klang noch schlaftrunken. Hatte er ein Waisenhaus? Nein, hatte er nicht. Bevor ich auflegte, erklärte er mir ausführlich den kürzesten Weg zum Orden. Will Berglund wurde hellwach, als er die Ängstlichkeit in meiner Stimme bemerkte, und sagte, er würde den Prälaten des Klosters anrufen und ihm sagen, daß ich käme.
    Ich hielt zum Tanken und zu einem schnellen Frühstück, dann bog ich nach Norden ins Seengebiet ab. Ich war ganz sicher, daß das, was mich im Kloster zum heimlichen Herzen erwartete, nicht langweilig sein würde.

    Zwei Stunden später streifte ich einen kristallblauen See, der mit Vergnügungsschiffchen bevölkert war. Sonnenanbeter quetschten sich an das enge, sandige Ufer, und die Kiefernwälder, die Fond-Du-Lac umgaben, waren voll mit kameraschwenkenden Touristenfamilien.
    Ich überprüfte die Hinweise, die Will Berglund mir gegeben hatte: Seekante, durch Berge ins Farmland, an drei Farmhäusern vorbei, eine Meile bis zu der Straße mit dem Schild, das die großen Religionen beschrieb.
    Ich fand die Bergstraße, dann das flache Weideland und die drei Farmhäuser. Es war drückend heiß, fast 38 Grad, aber ich schwitzte eher in nervöser Erwartung, als ich in die Straße einbog. Ich durchquerte eine halbe Meile lang einen sandigen Kiefernwald und kam an einer Lichtung heraus, auf der ein einfaches, weißgetünchtes Steinhaus stand, dreigeschossig, schmuck- und stillos und ohne Willkommensgruß. Neben dem Gebäude war ein Parkplatz angelegt worden. Die Autos, die dort geparkt waren, waren auch kärglich: alte Jeeps aus dem Zweiten Weltkrieg und eine Willys-Limousine aus der Vorkriegszeit. Sie sahen alle gepflegt

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