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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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hatte, dachte er: Jetzt ist keine Gefahr mehr, nahm in die andere Hand das Licht und ging dem Gespenst, das langsam einen Gang hinabschritt, ebenso langsam nach und der Bediente sprang, so schnell er konnte, hinter ihm zum Tempel hinaus und ins Ort, dachte, er wolle lieber bei den Scharfrichtern über Nacht sein als bei den Geistern.
    Aber auf dem Gang auf einmal verschwindet der Geist vor den Augen seines kühnen Verfolgers, und war nicht anderst, als wär er in den Boden geschlupft. Als aber der Herr noch ein paar Schritte weiter gehen wollte, um zu sehen, wo er hingekommen, hörte auf einmal unter seinen Füßen der Boden auf, und er fiel durch ein Loch hinab, aus welchem ihm Feuerglast entgegen kam, und er glaubte selber, jetzt geh’ es an einen andern Ort. Als er aber ungefähr zehn Fuß tief gefallen war, lag er zwar unbeschädigt auf einem Haufen Heu in einem unterirdischen Gewölb. Aber sechs kuriose Gesellen standen um ein Feuer herum, und der Mephistopholes war auch da. Allerlei wunderbares Geräte lag umher, und zwei Tische lagen gehauft voll funkelnder Rössleintaler, einer schöner als der andere. Da merkte der Fremde, wie er daran war. Denn das war eine heimliche Gesellschaft von Falschmünzern, so alle Fleisch und Bein hatten. Diese benutzten die Abwesenheit des Zwingherrn, legten in seinem Schloss ihre verborgenen Münzstöcke an, und waren vermutlich von seinen eigenen Leuten dabei, die im Haus Bericht und Gelegenheit wussten; und damit sie ihr heimlich Wesen ungestört und unbeschrien treiben konnten, fingen sie den Gespensterlärmen an, und wer in das Haus kam, wurde so vergelstert, dass er zum zweitenmal nimmer kam. Aber jetzt fand der verwegene Reisende erst Ursache, seine Unvorsichtigkeit zu bereuen, und dass er den Vorstellungen des Wirts im Dorf kein Gehör gegeben hatte. Denn er wurde durch ein enges Loch hinein in ein anderes finsteres Gehalt geschoben und hörte wohl, wie sie Kriegsrecht über ihn hielten und sagten: »Es wird das beste sein, wenn wir ihn umbringen und danach verlochen.« Aber einer sagte noch: »Wir müssen ihn zuerst verhören, wer er ist, und wie er heißt, und wo er sich herschreibt.« Als sie aber hörten, dass er ein vornehmer Herr sei und nach Kopenhagen zum König reise, sahen sie einander mit großen Augen an, und nachdem er wieder in dem finstern Gewölb war, sagten sie: »Jetzt steht die Sache letz. Denn wenn er gemangelt wird, und es kommt durch den Wirt heraus, dass er ins Schloss gegangen ist und ist nimmer herausgekommen, so kommen über Nacht die Husaren, heben uns aus, und der Hanf ist dies Jahr wohl geraten, dass ein Strick zum Henken nicht viel kostet.« Also kündigten sie dem Gefangenen Pardon an, wenn er ihnen einen Eid ablegte, dass er nichts verraten wolle, und drohten, dass sie in Kopenhagen wollten auf ihn Achtung geben lassen; er musste ihnen auf den Eid hin sagen, wo er wohne. Er sagte: »Neben dem Wilden Mann linker Hand in dem großen Haus mit grünen Läden.« Danach schenkten sie ihm Burgunderwein ein zum Morgentrunk, und er schaute ihnen zu, wie sie Rössleintaler prägten bis an den Morgen.
    Als aber der Tag durch die Kellerlöcher hinabschien und auf der Straße die Geißeln knallten, und der Kuhhirt hürnte, nahm der Fremde Abschied von den nächtlichen Gesellen, bedankte sich für die gute Bewirtung und ging mit frohem Mute wieder in das Wirtshaus, ohne daran zu denken, dass er seine Uhr und seine Tabakspfeife und die Pistolen habe liegen lassen. Der Wirt sagte: »Gottlob, dass ich Euch wieder sehe, ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Wie ist es Euch gegangen?« Aber der Reisende dachte: Ein Eid ist ein Eid, und um sein Leben zu retten, muss man den Namen Gottes nicht missbrauchen, wenn man’s nicht halten will. Deswegen sagte er nichts, und weil jetzt das Glöcklein läutete und der arme Sünder hinausgeführt wurde, so lief alles fort. Auch in Kopenhagen hielt er nachher reinen Mund und dachte selber fast nicht mehr daran. Aber nach einigen Wochen kam ab der Post ein Kistlein an ihn, und waren darin ein Paar neue, mit Silber eingelegte Pistolen von großem Wert, eine neue goldene Uhr mit kostbaren Demantsteinen besetzt, eine türkische Tabakspfeife mit einer goldenen Kette daran und eine seidene mit Gold gestickte Tabaksblase und ein Brieflein drin. In dem Brieflein stand: »Dies schicken wir Euch für den Schrecken, so Ihr bei uns ausgestanden, und zum Dank für Euere Verschwiegenheit. Jetzt ist alles vorbei, und Ihr

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