Heimliche Helden
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Es war bestimmt nicht einfach, James Augustine Aloysius Joyce zu sein. Es war bestimmt nicht einfach, sich ein Leben lang in den Initialen JA:AJ selbst zu umklammern. Es war bestimmt nicht einfach, Stephen Dedalus zu werden. Es war bestimmt nicht einfach, ein Stück Dubliner Strand zu sein. Es war bestimmt nicht einfach, Kirke zu sein. Es war bestimmt nicht einfach, Irland zu verlassen. Es war bestimmt nicht einfach, Triest zu verlassen. Es war bestimmt nicht einfach, den Ulysses zu schreiben. Es war bestimmt ein teuflisches Vergnügen, den Ulysses zu schreiben und mit Finnegan’s Wake weiterzumachen. Es war bestimmt nicht einfach, Studenten Englisch beizubringen. Es war bestimmt nicht einfach, klüger als ein Lexikon zu sein. Es war bestimmt nicht einfach, mit den eigenen Gedichten nie zufrieden zu sein. Es war bestimmt nicht einfach, sich ständig Sorgen um die Familie zu machen. Es war bestimmt nicht einfach, halb blind weiterzulesen. Es war bestimmt nicht einfach, die Wortfolge »three Quarks for Muster mark« für die Quantenphysik zu erfinden. Es war bestimmt nicht einfach, Jacques Lacan zu seinem Sinthom (anstelle von Symptom) zu inspirieren. Es war bestimmt nicht einfach, James Joyce zu sein. Es war bestimmt zweifach: höllisch und schön.
Weiterführende Lektüre:
Gertrude Stein, Tender Buttons und andere kurze Prosa
Italo Svevo, Zeno Cosini (oder: Zenos Gewissen)
Slavoj Žižek, Liebe Dein Symptom wie Dich selbst
Karl Valentin (Valentin Ludwig Fey)
(1882–1948)
© Valentin-Karlstadt-Musäum München / Münchner Stadtmuseum
Er kommt aus München, alles außerhalb der Stadt gilt ihm als Ausland. Dennoch reist er 1936 nach Berlin, wo er »dummerweise« einen halben Tag zu spät für die Olympischen Spiele eintrifft. Da sitzt er, mutterseelenallein, im weiten Rund des neuen nationalsozialistischen Stadions und hat alle Triumphe verpasst! Einen Sketch ist das mindestens wert. Seit über 20 Jahren entwickelt er seine Karriere als Komiker und Filmpionier, Liesl Karlstadt hilft ihm als Bühnenpartnerin dabei kräftig auf die Sprünge. Im Leben heißen beide anders, sind aber ebenfalls ein Paar. Valentins Familienverhältnisse (Ehefrau, Töchter) neigen dazu, sich zu verkomplizieren; die politischen Verhältnisse ebenfalls. Auftritte im Dienst der Nazipropaganda schlägt er aus, Späße über Hitler werden ihm zugeschrieben, er streitet die Urheberschaft ab. Der Krieg zwingt ihn, München zu verlassen, Valentin versucht, sich als Scherenschleifer durchzubringen, sehnt sich an die Isar zurück. 1947, befragt zu seiner Haltung zum Nationalsozialismus, gibt der bemerkenswerte Mann, der den deutschen Groteskfilm begründen wollte, Charlie Chaplin bewunderte und sich intensiv mit Psychologie auseinandersetzte, ein bemerkenswertes Interview. So wird es kolportiert:
Ein Münchner oder Schweizer Journalist fragt: »Mitglied der Nazipartei waren Sie natürlich nie, Herr Valentin, oder?«
»Nein«, sagt Valentin, »aber wissen S’, zu mir sind’s gar nie gekommen.«
»Und wenn sie gekommen wären, Sie wären natürlich sicherlich nie Mitglied geworden.«
»Ja, dann schon, wissen S’. Dann schon! Aber die sind gar nie gekommen.«
Sprachlosigkeit seitens des Journalisten, verständnisloses, verlegenes Lächeln, Wut:
»Was? Sie? … Ah, machen S’ doch keinen Witz! Sie wären doch nie Mitglied dieser Verbrecherpartei geworden.«
»Ja, doch! Wenn’s sein müssen hätt natürlich, weil ich eben Angst gehabt hätt, wissen S’, Angst!«
Weiterführende Lektüre:
Georg Ringsgwandl, Lieder, Texte, Filme
Harold Pinter, Dramen (Dialoge)
Tania Blixen
(1885–1962)
© picture-alliance/Polfoto
Sie trug Hüte, zumindest wenn sie fotografiert wurde, wusste sich in feiner Gesellschaft zu bewegen, eine schlanke Gestalt, Kind aus gutem dänischem Haus, Zigaretten und Hunden zugetan.
Als Karen Christence Dinesen kam sie zur Welt, ihre Texte veröffentlichte sie unter zahlreichen Pseudonymen, auf dem deutschen Buchmarkt kennt man sie als Tania Blixen, im angloamerikanischen Sprachraum als Karen Blixen oder Isak Dinesen. Sie liebte Hans von Blixen-Finecke, Sohn einer Cousine ihres Vaters, doch wanderte der 1913 mit seinem Zwillingsbruder Bror nach Britisch-Ostafrika (Kenia) aus. Tanja und Bror heirateten. Offensichtlich neigten beide zu Verwechslungen: In der Nähe Nairobis kaufte Bror vom Geld der Dinesens eine Milchfarm, die sich als Kaffeefarm entpuppte; bald tauschte der Baron auch seine Frau gegen
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