Heimliche Helden
dar, der Blick einer Weißen auf das koloniale Land, seine dunkelhäutigen Bewohner, die eigenen und fremden Rollen?
Blixens afrikanisches Buch Out of Africa ist paradox in mehrfacher Hinsicht. Es existiert in zwei Fassungen, der dänischen und der zuerst geschriebenen englischen. Es weiß nicht, was es ist: Bericht? Roman? Eine Reihung von Erzählungen? Es hat einen und viele und keinen Helden. Es dreht sich schnell und in kleinen Erzähletappen eben darum, wer hier überhaupt als Protagonist, als Handelnder gelten kann: Die männlichen Heldenversatzstücke – Krieg, Löwenjagd, Frauen- und Herrschaftserfolg – werden gebraucht, um eben diese Frage auszuspielen. Und um noch weiter zu reizen und kunstvoll zu verwirren, werden sie auf eine weiße Frau projiziert, die zwischen der schwarzen Bevölkerung des Landes und seinen weißen Kolonialherren steht. Ein Kaleidoskop: Das Spiegelglas ist zerbrochen, die Scherben geben wieder und verzerren, mischen den Blick. Das »Ich«, der Anfang des Anfangs, erscheint als unmögliche Figur: Die Heldin berichtet von sich selbst.
Wie in Blixens Babette’s Feast , wie in ihren Gothic Tales mit der großartigen Verschmelzungsgeschichte zwischen einem Affen und der Priorin eines Klosters, wird dieses Ich als Blase aufgefasst: ein Raum von Kreuzungen, getragen von Orten, Wetter, (Un)Tieren und Instrumenten (kulturellen Versatzstücken). Dieses Konzept des Spiegelverhältnisses von Leere und Einwanderung wird von Blixen radikal (gründlich) gefasst, also nicht nur für das Erzähl-Ich, sondern für das gesamte Buch umgesetzt. Seine englische und dänische Fassung unterscheiden sich eben darin, wie stark europäisches Gedankengut den Erzählraum füllt, der das Ich zum Sprechen bringt (Afrika) und exterritorialisiert ( out of ).
Die Entstehung der Texte verläuft denkbar verwinkelt. Zu Beginn der dreißiger Jahre kehrte die Autorin, finanziell gescheitert, als geschiedene Baronin Blixen nach Dänemark ins Elternhaus zurück. Sie war 46 Jahre alt und begann, über ihre afrikanische Zeit zu schreiben – auf Englisch. Das Erste aber, was tatsächlich entstand, war die Erzählung Kamante und Lullu auf Dänisch. Blixen fuhr noch im selben Jahr, 1936, mit dem Text auf Englisch fort, übertrug im Jahr darauf das eigene Werk ins Dänische, allerdings mit Hilfe einer Interlinearübersetzung, obwohl Dänisch Blixen-Dinesens Muttersprache war. Dieser mehrfache Übersetzungs- und Überarbeitungsprozess zeigt neben den zahlreichen Identitäten und Identitätsspielen der Autorin gleich zu Anfang: Wenn in diesem Buch etwas einfach erscheint, ist das sehr wahrscheinlich kunstvoll erzeugte Illusion.
Blixens Erzählen mischt hingebungsvoll. Es inszeniert Phantastisches, vermengt Wirklichkeiten, spielt über Grenzen. Out of Africa ist auch in dieser Hinsicht als Titel präzise: Das erschriebene Afrika liegt jenseits Afrikas. Ebenso wenig gibt es die Mbagathi-Farm oder ihre Landschaft – es gibt nur Afrika, die Farm, das Land sowie den Blick, der darauf fällt.
Eine Weiße lebte für 17 Jahre im schwarzen Ostafrika, das von Weißen beherrscht wurde, zu denen die großbürgerliche, streng unitarisch erzogene Autorin als Nichtbritin und Nur-Frau sowohl gehörte wie nicht gehörte. Fremdheit und Anderssein bestimmen in vielfachen Spielarten fast jede Szene von Jenseits von Afrika . Zum einen sieht man, wie die Europäer in einer Art »Weißenblase« leben: zusammengerottet. Auch Blixen bewegt sich in dieser Kugel unter (Sicherheits)Glas, versucht aber, genau hinauszusehen. Menschen aller Herkunft und Art arbeiteten auf der Farm, weiß, rötlich, sehr weiß (britisch) und unterschiedlich schwarz: Die jungen Männer der Massai, eines alten Kämpfervolkes, durchstreiften das Land; Männer und Frauen vom Stamm der Kikuyu bestellten es; Somali, traditionell Viehhändler und Kaufleute, gläubige Mohammedaner, fochten interne Stammesstreitigkeiten aus; zwischen ihnen allen fuhren die geschickten indischen Händler umher. Alte Rivalitäten flammten auf, Traditionen wurden gepflegt, dann verboten; langsam wuchsen die Kaffeebäumchen der »Karen Coffee Company Ltd«. Afrikanische Steppe, Sonne, Trockenheit. Die Farm der Blixens lag auf einer Höhe, auf der normalerweise kein Kaffee mehr angebaut wurde; hier kreuzten sich die Wege von Gazellen, Heuschreckenschwärmen und Löwen. Das Farmhaus selbst wurde mit europäischen Kulturgegenständen gefüllt. In voluminösen Reisekisten hatte die Autorin ihr dänisches
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