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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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zweifach Teil einer Minderheit. Allein dieser Umstand rückt sie in mindestens einer Hinsicht nahe an die klassische Heldenrolle: Sie steht allein, sie fällt auf. Exakt der Umstand, dass sie nicht repräsentiert, hebt sie repräsentativ hervor. Dieser Vorgang mag paradox erscheinen, entspricht aber der Logik von Helden- und Antiheldentum: Strukturelle Merkmale werden, bei umgekehrtem Vorzeichen, geteilt. Blixen pflegt ein anderes Verhältnis zu den Eingeborenen als der Klischee-Kolonialist. Afrika-Ost ist ein Auffangbecken für Menschen, die rasch zu Geld kommen wollen, doch ebenso für Träumer und Sucher, für Frauen und Männer, die aus ihren Heimatgesellschaften herausgefallen sind. Solche Weltenwanderer bevölkern das Buch, werden darin aber auch mythisiert; die Farm erscheint als Verschmelzungsort. Tiere und Menschen jeder Rasse und Art leben hier in Frieden, Ausgestoßene werden unterstützt, Kranke gepflegt: ein sehr »heiles«, über-heiliges Bild entsteht.
    Zum anderen: Der Roman setzt betont harmlos ein mit der Geschichte des Kikuyu-Jungen Kamante und der Buschantilope Lullu. Damit erregte und erregt er Unmut: Man entdeckt in der Reihung der beiden Geschichten sowie in Blixens Satz: »Was ich vom Wild gelernt hatte, konnte ich im Umgang mit den Eingeborenen anwenden« 33 nicht zu Unrecht Spuren kolonialer Arroganz.
    Zum anderen: Worte wie »Negermädchen« oder »Negerdorf« waren auch 1936 nicht wertungsfrei. Sie waren »nur« normal, normal diskriminierend. Blixen verwendet viele Ausdrücke für ihre dunkelhäutigen Mitmenschen, doch eben auch das Wort »Neger«, und gerade in scheinbar beiläufigen Sätzen enthüllt sich, was auch Blixen trotz aller angeblichen und wirklichen Liebe zu den Eingeborenen als gegeben (und richtig?) hinnahm.
    Etwa das »Krankenhaus für Eingeborene«.
    Es dauert lange, manchmal zu lange für den Kranken, bis es überhaupt öffnet.
    Dunkles Herz, helles. Vor allem an Bildern erkennt man in diesem bildreichen und durch seine Bilder ausgezeichneten Roman, was die Autorin versucht und woran sie scheitert. Blixen erzählt, dass sie sich bei den schwarzen Afrikanern vom ersten Augenblick an wohlfühlte; sie spricht von weißer Unterlegenheit und beherrscht die Kunst, die Blickrichtung zu wechseln. Da beschreibt sie, wie sie selbst in den Augen der schwarzhäutigen Menschen auf deren Grund und Boden wohl aussehen muss. Und schon ist es ihr Grund nicht mehr. 34
    Gleichwohl gelingt es ihr nicht, das herbeigesehnte, auch herbeiphantasierte Gegenüber zu fassen. Kikuyu stehen vor der tiefbraunen afrikanischen Teakholzwand des Wohnzimmers der Baronin. Kaum sind die dunkelhäutigen Gesichtszüge hervorgetreten, verschmelzen sie wieder mit dieser Wand. Sie werden zu Holz, zu Masken; die Lebendigkeit entweicht.
    Wieder macht Blixen (nichts als) ein Bild. In diesem gelingenden Scheitern (das Bild bleibt), ist Jenseits von Afrika spannend. Man spürt die Suche der Dänin nach einer Sprache für die Erfahrung des Nicht-Halten-Könnens. Nähe und Teilhabe werden ersehnt. In der losen Reihung der Erzählungen indes, in ihren schwankenden Längen und Gewichten, im Mäandern des roten Fadens, so es denn überhaupt einen gibt, der über das topographische Ordnungsprinzip »Farm« hinausgeht, zeigt sich, wie der Gegenstand »afrikanische Farm« sich dem Buch über diese Farm immer wieder entzieht.
    Eben deswegen lohnt sich die Lektüre. Paradox der Blick: Da sitzt ein Ich in der Fremde und sieht etwas, das sich nicht rufen lassen will. Es schönt, es schießt, es schreibt. Ein Ich, Kind seiner Zeit und doch aus ihr gefallen wie die anderen streunenden Figuren des Textes. Held des Erlebens und Erzählens, aber als Frau, Heldin also, sprich Teil einer singulären, alles schief anschneidenden Rolle, von daher zugleich Antiheld. Und das alles zugleich: Chefin, Erbin, Dänin, Gattin, Liebhaberin, Angesteckte, Betrogene, Verantwortliche, Reisende, Tötende, Medikamentenvergiftete, Fragende. Mit einem Mal versteht man die Konzentration dieser Prosa auf ein Stück Land und die Farm als Gegengewicht zur inneren Heimatlosigkeit der Autorin.
    Auch von ihr handelt der Text.
    Heldin sein
    In Blixens Leben sieht diese Heimatlosigkeit, soweit sie sich in äußeren Daten fassen lässt, so aus: Im Dezember 1913 trifft das Männerhosen tragende, Löwen schießende, geistig weitgehend unabhängige Frauenwesen Karen-Tania-Isak-Dinesen in Britisch-Ostafrika ein, um den Zwillingsbruder des Mannes zu heiraten, den sie

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