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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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umzusetzen vermag als der angeblich so anschauliche Film. Im Film sähen wir uns ständig der Monstrosität der in Wirklichkeit nur millimetergroßen Tierchen ausgesetzt: Zangen, Fühler, tiefe Segmente der Brust und des Hinterleibes, Säbel und Dolche. Auch die Erinnerungen beschreiben uns diese bewehrten Wesen oft auf hinreichend gruselige Art und Weise. Im Weiterlesen allerdings vergisst man das Aussehen; die Identifikation des Lesers mit der kämpferischen Hauptfigur greift, ein spezifisch menschlicher, empathischer Reflex. Dank Fabres Kunst, die Lebendigkeit der Flügler einzufangen, verspürt man ihren Drang zu überleben, vergisst ihre gepanzerte Fremdheit, schlägt sich auf ihre Seite und lässt, ganz im Bann des literarischen Heldenprinzips, das Herz mit dem ihren pochen – als hätten sie eines, das unserem gleicht.
    Der Pelzbienenölkäfer, dem wir schon begegneten, lebt als Parasit der Pelzbiene, einer friedlichen wilden Bienenart. Der Entomologe beobachtet, wie der Käfer, frisch geschlüpft, aus den Höhlen der Pelzbienen kriecht. Erst erscheinen die Männchen; ihre etwas später zur Welt kommenden Weibchen werden sofort begattet. 36 Stunden lang legen sie von nun an Eier ab, jede Minute eines. Das Weibchen stirbt sofort nach dieser Anstrengung, das Männchen, ausgeflogen, sitzt auf Büschen und stirbt ebenfalls.
    Was für ein Leben! Fünfzehn Tage Völlerei in einer Schatzkammer voll Honig, ein Jahr Schlummern in der Erde, eine Minute Liebe im Sonnenlicht; dann der Tod. 30
    Für das Ei geht es weiter: im Haufen, ohne Fürsorge, abgelegt vor dem Höhlengang, den die Bienen entlangkriechen, um zu ihren tiefgelegten, scheinbar sicheren Waben vorzudringen. Der Forscher trägt Larven nach Hause, dreht, wendet, baut nach. Stück um Stück verändert er die Brutbedingungen. Erstes Ergebnis: Aus dem Eihaufen des Pelzbienenölkäfers schlüpfen nach vier Wochen Larven, die im Haufen überwintern. Sie sind einen Millimeter groß und wehrhaft besetzt. Drei Jahre musste der Forscher weiter beobachten, um herauszufinden, dass sich die Larven in den Brustpelzen der ersten, im Frühjahr auskriechenden Pelzbienen festsetzen. Vier Wochen fliegen sie mit diesen männlichen Bienen umher. Bei der Begattung wechseln sie auf das Weibchen, das sie als Transporter in die Honigkammer nutzen. An dem Honig, den sie später fressen werden, sind die Larven noch nicht interessiert. In ihrem jetzigen Zustand wäre er tödlich: ein Honigmeer, in dem sie elend verklebt ertränken. Bei der Eiablage jedoch, in eben dem Augenblick, in dem das Ei halb aus dem Eierstockgang der Biene getreten ist, springt der Parasit von der Bienenmutter auf deren Frucht. Geburt und Tod in einem, wie Fabre dramatisch sagt. Zugleich: wundersam. Wie wissen die vier oder fünf im Bienenpelz wartenden Parasitenlarven, dass nur eine von ihnen springen darf? Wie bringt sich eine der Larven in die ideale Position, während die anderen auf die nächste Eiablage warten? Nach geglücktem Manöver sitzt die Larve des Pelzbienenölkäfers auf dem frisch geborenen Bienenei.
    Erzählen als Natur der Welt?
    Der kurzen Geschichte sind Jahre mühsamer Beobachtung vorausgegangen. Den Insektenerzählhelden kennzeichnen Zähigkeit, Liebe-Glaube-Fanatismus, klarer Verstand, rhetorische Schläue. Held ist jemand, der Künste der Inszenierung beherrscht bzw. wenigstens schätzt. Inmitten eines summenden Schwarmes sich paarender, Honig eintragender und wieder ausfliegender Bienen sitzt der Insektenheld auf einem Stein. Er entnimmt Pelzproben, wobei er das betroffene Tier stört und verletzt, aber von ihm nicht angegriffen wird. Die vorbeikommenden Dorfbewohner halten, was sie sehen, für Zauberei. Fabre wundert sich selbst darüber, wer er nun ist: ein Mann, dessen Oberkörper und Kopf aus einem Bienenschwarm bestehen.
    Faction
    Descartes’ Auffassung von Tieren als Bioautomaten war Fabre von Grund auf fremd. Als Naturforscher im Zeitalter der Maschinen und des schwankenden Subjektes dachte er neu nach über die Grenzen zwischen Mensch und Tier. Ausgerechnet jenen Tieren widmete er sich, die Bioautomaten am ehesten gleichen: Insekten, Hautflüglern, Bürgern des Zwischenreichs. Seine Sprache weiß mehr als das kantige Wort »Insekt«, das spiegelt, was wir an diesen Tieren nicht verstehen. Das starre Gesicht, der immer gleiche Körper. Fabres Erzählen hingegen ist anschaulich und geschmeidig, Teil seines neuen wissenschaftlichen Ansatzes und seiner Hoffnung, Wahrheit

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