Heimliche Helden
Porzellan anliefern lassen, dänische Rezepte, geschliffene Gläser, eine deutsche Kuckucksuhr.
Auch das Schreiben ist Teil dieses Inventars.
Eine nachträgliche Inventur, also auch Erfindung dessen, was war – und verging. Blixen weiß, als sie ihren Selbstbericht 1936 und 37 verfasst, dass das Land, das sie mit Worten noch einmal zeichnet, verschwunden ist. Sie fingiert: überhöht, strafft, erinnert »falsch«, trauert. Manches Sentiment schleicht herbei, doch auch die Wirklichkeit des Nichtankommens, der Sehnsüchte und Einsamkeit unter Kenias Sonne leuchten immer wieder durch den Text.
Oft wird im Zusammenhang mit Literatur zweifelnd gefragt, ob ein Autor über etwas schreiben kann, was er nicht kennt. Man möchte es hoffen (ein wenig Vertrauen in die Möglichkeiten der Empathie wollte man haben, als Mensch). Im Übrigen ist die Frage falsch gestellt. Erst wenn man sie umkehrt, wird sie brisant: Wie gut oder schlecht kann man darüber schreiben, was man selbst erlebt hat?
Schwieriger noch: Wie erzählt man ein Leben, wenn es (angeblich) das eigene ist – und man es noch lebt?
Blixens Afrikabuch lädt dazu ein, autobiographisch aufgefasst zu werden. Die Daten stimmen mit Blixens Lebenslauf überein, ein Ich erzählt. Dennoch lesen wir etwas einem Roman Ähnliches. Wer in Blixens Briefen aus der afrikanischen Zeit blättert, sieht, wie viel weggelassen wurde, verändert, geschönt. Der Text verschweigt Blixens Safarilust, ihre Liebe zu ihrem Mann, ihre Syphilis, ihre Fehlgeburten, ihren Selbstmordversuch nach der Trennung von Denys Finch Hatton. Vor allem aber verschweigt er die Leere des afrikanischen Weißen-Lebens, die Härte des Alltags, das Alleinsein auf dem Besitz. Nicht einmal Blixens Verhältnis zu Finch Hatton macht das fiktive Werk von Anfang an klar; erst spät beginnt man zu begreifen, dass es sich hier um mehr als den üblichen Umgang der fremden Weißen untereinander handeln muss.
Das weibliche Heldentum der Autorin schwingt um die Grenzen dessen, was gesagt und was verschwiegen wird. Es spielt mit literarischen Verfahren des Andeutens, Insinuierens, Verwischens. Erzählt wird durch andere Wesen, gern auch Tiere. Wirklichkeit, Projektion und Imagination überlagern sich: der Kuckuck ruft. Nur was sagt er, im Wald? Und was, wenn er aus der Maschine schreit?
Jenseits von Afrika, das auch »Aus Afrika heraus« im Sinn von »Von Afrika her« heißen könnte , gehört in keine festgeschriebene literarische Gattung; die Zwitterhaftigkeit des episodischen Textes spiegelt die Schreib- wie Lebensposition der Autorin. Am ehesten könnte man ihn einen Selbstbericht nennen, exakt auf die Grenze zwischen Authentizität und Verfremdung gesetzt. Das Buch erzählt von Lebensmischungen und Interferenzen. Eine koloniale Nichtkolonialistin; eine weiße Schwarzennahe, die weiß bleibt; eine Zuschauerin, die handelt; eine Frau, die in zwei Sprachen schreibt und hie und da in Männerrollen agiert. Der Leser kann miterleben, wie Blixen sich das Land anzueignen sucht, in das sie mit all ihren dänischen Koffern und Porzellankisten gereist ist. Wie sie beginnt, die eigenen Codes über Landschaft und Menschen zu legen. In einem Brief an ihren amerikanischen Verleger R. K. Haas im März 1934 nennt sie, was sie veröffentlicht, »quite truthful recounts« (recht wahrheitsgetreue Nacherzählungen). Und weiß, dass sie ein Bild malt. Gleich zu Anfang weist das Buch selbst darauf hin: »Das gesamte Kikuyu-Land glich einem Mosaik.« 32
Ein Mosaik ist ein aus Steinen gelegtes Bild, eine Haut in verschiedensten Farben, die Fugen und Brüche zeigt, sich aber um gleitende Übergänge bemüht. Je näher man hinsieht, umso stärker zerfällt das Bild in einzelne Kapitel, Episoden und Episödchen. Blixen versucht gegenzusteuern, indem sie das Beschriebene immer wieder in Rahmen stellt. So malt die ehemalige Kunststudentin Himmel, Büsche und Löwen, um ihre Menschen hinzuzufügen, so unterlegt sie ihre Bilder mit Anspielungen auf Religion, Kunst und Literatur. In losen Bögen wird zunächst anekdotisch und reihend erzählt. Ein Zeitbild, eine Profillinie entstehen. Zum Ende hin schürzt Blixen den Knoten, die Schrecken der Finsternis und biblischer Plagen werden aufgerufen, die Coffee Company ist pleite, Denys Finch Hatton kommt bei einem Absturz seines Flugzeugs ums Leben. In »Wirklichkeit« hatte das Paar sich zwei Jahre vor diesem tödlichen Unfall getrennt; auch für den finanziellen Ruin der Farm gab es langjährige
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