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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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aufschlussreicher macht als manches historische Dokument: Krieg führt man immer – mit. Dunkel, verlockend: eine Mischung aus Erfundenem, Verschwiegenem, Missverstandenem, Erfühltem, Projiziertem, aus all dem, was unser Leben auch »zuhause« ausmacht. Nur müssen wir es dort nicht so sehr bemerken, wie wir es bemerken können , wenn wir etwa anhand dieses Buches in einen fremden Kontinent, eine fremde Zeit, ein fremdes Leben wandern.
    Begleitet von einer Kuckucksuhr.
    Wie großartig, grotesk und berührend sie ist, wird deutlich, wenn man den Gefühlen vor ihrem Türchen noch einmal hinterherdenkt. Da lauschten die Kikuyu-Knaben, da stand im Türrahmen die Frau, die die Uhr mitgebracht hatte. Sie beobachtete die Kinder, sich selbst und den automatischen Vogel. Die Löwen auf den Hügeln hätten ihn samt Uhr als Vorspeise zum Frühstück verschlungen.
    Er rief aber doch!
    Die Kinder rannten davon, kamen wieder.
    Blixen schrieb, sah zu, erinnerte sich, schrieb, brach es ab, schrieb.
    1931 kehrte sie nach Dänemark zurück. Nach Afrika kam sie nie mehr. Das stimmt, wenn man ihre Biographie liest, an physisches Reisen denkt.
    Und doch ist es falsch. Sie schrieb dieses Buch.
    Afrikanische Lektion. Der Kuckuck ist ein Mördervogel. Stößt Eier und Kinder aus dem angestammten Nest, legt den eigenen Nachwuchs hinein. Ob Blixen auch das den Kikuyu-Kindern erzählte?
    Ihre alte Uhr soll in Afrika geblieben sein. Vielleicht schlägt sie noch. Dann säße der europäische Rufer also weiterhin im dunklen Holz in seinem Versteck.
    Afrikanische Lektion. Vor dem Farmhaus stehen im strahlenden Licht eines Sonntagmorgens die alten Kikuyu-Frauen. Sie haben einen weiten Weg hinter sich, sie freuen sich. Jeden Sonntag erhalten sie hier eine Portion Kautabak zum Geschenk. Diesmal allerdings hat Blixens somalischer Hofmeister vergessen, welchen zu besorgen. Er gesteht! Blixen liegt noch im Bett und hört, wie die Frauen in Lachen ausbrechen. Unsereins würde sich ärgern über den vergeblichen Weg. Den Fehler.
    Die Kikuyu hingegen amüsieren sich königinnenhaft und erzählen noch Jahre später von diesem Witz.
    Die Msabu lachen sie aus!
    Was für einen Hofmeister sie hat.
    Ganz besonders aber: Wie dumm sie selbst so weit gelaufen sind!
    Was für Heldinnen sie sind.
    Dunkle Gesichter, das leuchtende Rot des inneren Mundes. Die alte Dichotomie von Schwarz und Weiß verschwindet. Es gibt mehr Farben auf der Welt. Wenn man lacht, allemal über sich selbst, erkennt man es.
    31 Zitiert nach der Ausgabe Tania Blixen, Jenseits von Afrika , München 2010, S. 7
    32 Jenseits von Afrika , S. 9
    33 Jenseits von Afrika , S. 20
    34 Jenseits von Afrika, S. 13: »Vielleicht sahen meine Squatter diese Beziehung in einem andern Licht, denn viele von ihnen, und vor ihnen ihre Väter, waren auf der Farm geboren, und es ist möglich, dass ich in ihren Augen nur ein sehr mächtiger Squatter auf ihrem eigenen Grundstück war.«
    35 Jenseits von Afrika , S. 257

HELDEN UND
IHRE VERSTECKE



WENN ES AUCH TRÄUME SIND. BENN ALS LIEBESHELD
    Seine dritte Ehefrau, Ilse Benn, Zahnärztin, fast drei Jahrzehnte jünger als Gottfried, sagte dem Arzt und Dichter an ihrer Seite, der sie seiner herzlichen Zuneigung versicherte, jeden Tag zwei Briefe einer Geliebten erhielt und durchaus regelmäßig zu halb geheimen Reisen aufbrach, sagte, als man sich versöhnt hatte, die Schränke wieder zusammengelegt in der Bozener Straße 20 in Berlin-Schöneberg, vier Zimmer, seine Praxis, die ihre, ein Wartezimmer, der übrige Raum zum Wohnen und Schlafen bei Blick auf den Hof mit »Kaninchenbucht und Kohlstrunkrudimenten« 63 , sagte, dass er keine Rosen mehr in seine Gedichte aufnehmen solle.
    Dürfe!
    Es gebe davon genug. Wenn nicht zu viele.
    Er, ein kleiner, rundlicher Mann, hebt den melancholischen Blick. Seine Stimme soll vor allem Frauen gefallen haben; sie riefen an, er hörte zu, tröstete, beriet. Er, der Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, der den menschlichen Körper kannte wie kaum ein anderer. Soldat im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Dichter, der aufstieg, fiel und wieder aufstieg, der Liebes- und Lebenswahn scharf zu beobachten wusste. Seine Gedichte machen zum Gegenstand, was zuvor im poetischen Sprachraum keinen Platz hatte: Bardamen und Vamps, Kommerz, Rausch, tote Körper, Bier. Unerhört auch ihr Ton: Benn ist ein Dichter, dessen »Sound« man sofort erkennt. Wie er Kälte und Wärme im Vers zusammenzwingt, Wohlklang mit Gedankenschärfe und

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