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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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liebt, der sie aber nicht haben will. Bald heißt sie Baronin von Blixen-Finecke, betreibt eine Kaffeefarm, die eine Milchfarm sein sollte, erworben vom richtig-falschen Ehemann mit dem schönen Vornamen Bror, Sohn der Cousine des eigenen Vaters, mit Teilen des nicht unbeträchtlichen Vermögens der Familie Dinesen. Schon der Anfang geht schief: Bror verwechselt beim Kauf Milchwirtschaft und Kaffeeanbau, im Folgenden tauscht er gern die Ehefrau gegen andere Frauen.
    Kaum wachsen die ersten Kaffeesträucher, bricht in Europa der Erste Weltkrieg aus. Die Dänin Blixen bleibt fremd unter Fremden, der Krieg erreicht auch die Briten Ostafrikas. Bror wird Soldat, seine Frau reist mehrfach auf eigene Faust ins Kampfgebiet.
    1918 hat man den Krieg zwar gewonnen, die alte Welt dennoch verloren. Die Fragen, die nun unabweislich werden, begleiten uns bis heute: ungerechte Verteilung aller Güter, Ausrottung der Tiere, Dürreperioden, Klimaveränderung, Umgang miteinander im Spannungsfeld unterschiedlicher Hautfarben und Stammeszugehörigkeiten, Mentalitäten, Gewohnheiten, Religionen und Historien.
    1915 erkrankt das Ehepaar Blixen an Syphilis. Es heißt, Karen habe in Nairobi Quecksilber dagegen eingenommen, sei dann in Dänemark behandelt worden, habe aber ein Leben lang unter den Folgen der Quecksilbervergiftung gelitten. Die Ehe mit Bror wurde 1925 geschieden; da war Karens Verhältnis mit Denys Finch Hatton schon einige Jahre alt. Finch Hatton, einst Großwildjäger und Offizier der englischen Armee, sattelte nach dem Krieg auf Fotosafaris um. Karen erlitt zwei Fehlgeburten, versuchte, mit der Farm Geld zu verdienen und Bücher zu veröffentlichen. Die Beziehung zu Denys zerbrach 1929, zwei Jahre später verunglückte er tödlich.
    Sie war privilegiert, kinder- und oft männerlos. 1931 kehrte sie bankrott in das reiche Haus in Rungstedlund bei Kopenhagen zurück, in dem sie 1885 geboren worden war. Diese Heimkehr in den Schoß der Familie wird nicht einfach gewesen sein. Karen Blixen blieb bis zu ihrem Tod 1962 in Dänemark und schrieb: fantastische Erzählungen, Novellen, Afrika.
    Unversehens findet man sich mitten im Wolkenflug eines lange vergangenen Tages über dem Ngong-Gebirge wieder, wartet sehnsüchtig auf Regen, fühlt die Erde, hört Tierrufe und riecht Pflanzen, die es im eigenen Leben nicht gibt. Jenseits von Afrika ist eine Gratwanderung. Ein topographisches Buch (sein Held ist ein Ort), ausgezeichnet durch die Anschaulichkeit und Intensität seiner Schilderungen. In der Ethnologie kennt man die Kategorie der »dichten Beschreibung«. Sie meint Darstellungen, die nicht nur notieren, dass jemand sich an die Stirn klopft, sondern auch sagen, was es bedeutet; die also Handlung und Zeichenhaftigkeit zu lesen suchen. Blixen versuchte Ähnliches, war aber keine Ethnologin, sondern jemand, der sich verliebt hatte in Land und Leute, wie man hierzulande sagt, und das ist mehr als eine Alliteration. Land und Klima färben Menschen in der Wolle, im Herzen, im Schauen. Darin, wie die Augen sich bewegen, und die Hände dazu. So färbt Afrika auch ab auf Blixen, die verwundert – und durchaus fremd, nämlich mit afrikanischer Sehnsucht –, wieder in Europa sitzt. Da hört sie den dänischen Regen und bemerkt erst bei seinem Geräusch, dass sie sich nach Afrika zurückgeträumt hat.
    Blixen suchte etwas. Sie will es gefunden haben und, indem sie von Afrika schreibt, weitergeben an ihre Landsleute und andere Europäer. Ihr Bericht bleibt ambivalent, die Rolle, die sie sich selbst zuschreibt, changiert. Oft genug beeindrucken ihre Schilderungen; spürt man die zugrunde liegende Suche, berühren sie. Blixen, die Jägerin, hat einen Leguan entdeckt. Wie Sterne, sagt sie, sitzen diese Tiere am Fels und »wenn sie vor einem davoneilen, fliegt ein ganzes Bündel von himmelblauen, grünen und hochroten Strahlen über die Steine, für einen Moment scheinen sämtliche Farben des Spektrums hinter ihnen in der Luft zu stehen, wie der Schweif eines Kometen«. Blixen erlegt den Leguan, um hübsche Dinge herzustellen aus seiner Haut. Während sie auf ihn zugeht, verblasst mit jedem ihrer Schritte das eben noch lebendige Wesen, seine Farben weichen von ihm »wie in einem langen Seufzer«. 35 Als die Weiße das Tier erreicht, gleicht es einem Klumpen Zement, asch- und totengrau.
    Diese dichte Szene gibt Blixens Afrika im Kern wieder: Die weiße Frau schießt, stellt gewaltsam Berührung her, und das Stückchen Afrika, das sie zu greifen

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