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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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1000 DM Strafe.«
    Es war sehr beeindruckend, lesen zu lernen, und dann das zu lesen.
    Valentins Haus schien mir die Summe wert. Wenn mich auch wunderte, warum es »1000 DM Strafe« hieß. Als Kind ist man es immerhin gewöhnt, dass Erwachsene seltsame Ideen haben, und heute denke ich, dass das Schild vielleicht eine heimliche Valentinhommage war, subkutan und zweimal um die Ecke gedacht.
    Elend und Komik?
    1946 will der neu eingerichtete Sender Radio München alte Valentinaufnahmen ausstrahlen. Man gibt dem unbelasteten »natural comic« sogar eine eigene Sendung und setzt sie nach kürzester Zeit wieder ab.
    Man sagt Valentin, er sei nicht komisch.
    Valentin macht (fast) dasselbe wie früher. Nur bleibt den Menschen der Trümmerstadt das Lachen im Halse stecken. »Saublödes« ist zu harmlos geworden, es erzählt von einer Zeit, in der die Welt noch so saublöde in ordentlicher Unordnung war, dass man sich wohl genug fühlte, um über sie und das eigene bayrische Wesen zu lachen.
    Der Komiker aus der Au weicht, auch wenn die Grundidee einer Fremdenfahrt in München 81 auf einen alten Sketch zurückgreift 82 , der Wirklichkeit des Jahres 1946 nicht aus. Im Gegenteil, er scheint die Augen geradezu übermäßig weit aufzureißen: Er führt uns durch die zerbombte, von Krüppeln, Flüchtlingen und anderen Kriegstraumatisierten bewohnte Stadt.
    Ausgangspunkt wird, wie könnte es anders sein, die Isar. Das Isartor ist »ziemlich beschädigt«, der Fluss aber noch intakt. Diese Komik ist weniger komisch als rührend: eine biographische Trostvolte, wenn man bedenkt, was Valentin die Isar bedeutete. Eigens einen Angelschein hatte er sich besorgt, um ohne Angel stundenlang in der Mitte des Hochwasserbettes stehen und schauen zu dürfen. »Nur die Isar kam wieder heil weg.«
    Unheimlich schwingt das Echo des Wortes »heil«.
    Es folgt ein Blick auf das zerbombte Finanzamt, ein »Glück im Unglück«, als Witz durchaus schal. Es folgen das Hofbräuhaus, der Englische Garten – zerstört. Bombentrichter im Kleinhesseloher See, Seefische schwer verletzt am Ufer. Das klingt komisch und ist bitterböse, weil es stimmt und zugleich fühlbar macht, welche Verletzungen nicht benannt werden. Zum Abschluss ein kleiner Schlag gegen die Münchner, wenn auch ganz so, wie sie sich selbst am liebsten sehen: Bei der vollkommenen Zerstörung der Akademie der Wissenschaften sei niemand zu Schaden gekommen, weil eh kein Münchner hinging. Kurz angesprochen werden das Nationaltheater, ein Puff, der Südliche Friedhof – zerstört. Die letzten Zeilen nehmen aus den Gräbern geschleuderte Gebeine ins Visier, wechseln in den Dialekt, »Amen«, Schluss.
    Unter der Hand scheint aus der Fremdenfahrt ein Gebet geworden zu sein. Der Wucht des Sketches als Zeitzeugnis kann man sich kaum entziehen. Valentins textliches Können hat sich nicht verändert – Knappheit, Auswahl, Groteske. Nur das Lachen will sich nicht einstellen: zu überwältigend das Unglück, um es zum Gegenstand der alten Komik zu machen. Der gegenteilige Effekt tritt ein. Das Unglück kopiert sich noch einmal auf sich selbst und tritt mächtig hervor, wenn man versucht, mit ihm Scherze zu treiben.
    Schon der Titel Fremdenfahrt erweist sich als mehrdeutig: München für Fremde, gewiss – aber auch München als fremde Stadt. Was der Sprecher uns bietet, ist in doppelter Form nur Ruine, als (gesehene) Stadt und als Text: das Zitat einer Form, ein Dialog, geschrumpft auf einen Monolog. Man empfindet dieses Schrumpfen schnell als (ästhetisch) misslungen, wenngleich es in seiner Schiefheit und Hässlichkeit nicht unangemessen ist. Die besichtigte Stadt besteht ebenfalls nur mehr aus Schrumpfungen: Gesteinshaufen, Trümmer. Sie sehen alle gleich aus, allein aus ihrer Lage resultiert ein Name. Er benennt, was die Sache, dieses Haus, dieser Menschenort, früher war.
    Das Szenario wird gespenstisch, wenn man sich die Mühe macht, es sich konkret vorzustellen. Valentins Betonung von Wasser rückt in ein anderes Licht. Wasser »trümmert« nicht. Auf dem Grund der Isar und der Münchner Seen liegen Bomben; die Szenen, die sich an ihren Ufern abspielten, sind nicht vergessen. Angesichts dieser damals jüngsten Vergangenheit von Fischen zu sprechen, wie Valentin es versucht, ist grotesk. Man kann dies als bewusstes Mittel zur Komik verstehen, doch tatsächlich wirkt die Stelle im Text missglückt – das verzerrte, gurgelnde Echo eines »ich ertrage es nicht«. Fremdenfahrt ist eine Fahrt, die

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