Heimliche Wuensche
finden. Ted Nelson brauchte eine Frau, und er ist ein sehr zuverlässiger Typ.«
Ted Nelson war mindestens fünfzehn Jahre älter als Nellie. Er besaß einen Mietstall am Rand der Stadt und zwei halberwachsene Söhne, denen man nachsagte, sie seien so dumm, daß die Pferde ihnen Lesen und Schreiben beibringen müßten. Niemand in Chandler wollte außerdem dem Gerücht widersprechen, daß die Nelsons noch nie in ihrem Leben gebadet hätten.
»Nun, du brauchst gar nicht so sehr die Nase zu rümpfen«, schnaubte Terel. »Jeder in der Stadt sagt, er hätte irgendwo in seinem Stall ein Vermögen vergraben. Aber wenn er dir nicht gefällt, finden wir eben einen anderen für dich. Vielleicht sollten wir uns mal in Denver Umsehen. Da weiß niemand etwas von deiner üblen Affäre. Vielleicht . . .«
»Ich werde ihn nicht fragen«, sagte Nellie, sich mit beiden Händen die Ohren zuhaltend. »Ich werde Mr. Montgomery nicht zu uns zum Essen bitten. Bitte, hör auf damit.«
»Also gut«, erwiderte Terel spitz. »Ich weiß nicht, warum ich mir deinetwegen immer solche Sorgen mache. Manchmal benimmst du dich so, als wäre ich der Bösewicht.« Sie hakte sich bei Nellie ein. »Laß uns jetzt zum Bäcker gehen und etwas zum Tee besorgen. Du wirst mir tatsächlich ein wenig zu mager.«
In diesem Moment überkam Nellie ein so gewaltiger Hunger, daß sie die ganze Bäckerei hätte aufessen können — samt Gehsteig, Dachpfannen und Ladenschild . . .
Berni wunderte sich sehr, als Jace Montgomery wieder nicht zum Essen erschien. Sie ließ ein langes, langweiliges Dinner über sich ergehen, aß die von Nellie köstlich zubereiteten Gerichte und hörte dem Geplapper von Terel zu. Sie beobachtete, wie Grayson seine jüngere Tochter lächelnd ansah, während er Nellie nur hin und wieder mit einem Stirnrunzeln bedachte.
Soweit sie das beurteilen konnte, hatte Nellies neuerworbene schlanke Figur keine Verbesserung ihrer Lebensumstände bewirkt. Charles und Terel hatten sie stets als eine Person betrachtet, die für sie die Dreckarbeit machen mußte, und die Tatsache, daß sie beträchtlich an Gewicht verloren hatte, schien für sie kein Grund zu sein, ihr Verhalten Nellie gegenüber zu ändern. Auch Nellie hatte sich nicht mit ihrer Figur verändert. Obwohl sie nun blendend aussah, hatte ihr Selbstvertrauen nicht im mindesten zugenommen. Sie ermunterte weder die jungen Männer, die ins Haus kamen, um sie zu besuchen, noch verlangte sie, daß ihre Familie sie respektvoller behandeln sollte.
Berni zuckte innerlich zusammen, wenn sie an diese Nellie dachte. Was für ein kläglicher Ersatz bin ich doch für eine gute Fee, dachte sie bei sich. Vielleicht hätte ich lieber »Dideri-daderi-dum« sagen und ein paar Kürbisse in Kutschen verwandeln sollen. Zwar hatte Nellie mit ihrem hübschen Prinzen den Ball besuchen können, aber nur, weil jemand anderer ihr in letzter Minute ein Ballkleid ins Haus geschickt hatte. Doch alles, was ihre Feen-Patentante bisher für sie unternommen hatte, war schiefgegangen.
Nach dem Dinner suchte Berni unter einem Verwand ihr Zimmer auf. Dort nahm sie den Glasschirm von ihrer Nachttischlampe und stellte ihn auf den Tisch. »Es ist zwar keine Kristallkugel; aber besser als nichts«, sagte sie laut. »Nun wollen wir mal sehen, was hier eigentlich gespielt wird.«
Sie bewegte die Hände über dem Schirm, wie sie das bei zahllosen Wahrsagerinnen in zahllosen Filmen gesehen hatte, und zu ihrem Entzücken zeigte sich tatsächlich etwas im Glas. Es dauerte eine Sekunde, bis die Bilder scharf wurden; aber dann sah sie Terel mit diesem dicken Jungen, Duke, reden. Sie sah das Billett, das Berni in Jace’ Postfach im Hotel gezaubert hatte, sah, wie Terel es nahm, durchlas und dann zerriß. Sie sah, wie Terel Nellie zur Rede stellte, als sie gerade ins Hotel gehen wollte, um Jace zum Dinner einzuladen.
Berni lehnte sich auf ihren Stuhl zurück, und zunächst konnte sie nur bewundern, was sie gesehen hatte. Terel war viel gerissener, als Berni sie eingeschätzt hatte. Irgendwie war sie dahintergekommen, daß Berni die Graysons nur besuchte, um Nellie zu helfen, und sie hatte sogar vorausgesehen, was »Tante« Berni unternehmen würde, und sodann Bernis Pläne durchkreuzt.
»Wenn das so weitergeht, ist Nellie bei meiner Abreise in zwei Tagen übler dran als je zuvor.«
Berni blickte auf die verblassenden Bilder im Glasschirm. Sie hätte zu gern Terel mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Es wäre eine reizvolle Aufgabe
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