Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Er hörte wieder die Stimme seines Herrn.
»Später«, antwortete Laurenti. »Eine beschissene kleine Panne.« Dann drehte er den Ton ab und gab den Befehl, die Polizia Marittima und die Capitaneria zu warnen: Weder zu Fuß oder schwimmend noch per Auto, Schiff oder Flugzeug dürften die beiden die Stadt verlassen.
Viktor Drakic hatte Laurenti sofort gesehen, als der sich aus seinem Versteck gelöst hatte. Er gab Spartaco ein Zeichen, und beide ließen den verblüfften Ehrengast aus Wien mitten im Satz stehen. Schlagartig waren sie verschwunden. Nur Tatjana sahen sie nicht, und suchen konnten sie sie nicht mehr. Drakic würde später einen Weg finden müssen, um seiner Schwester beizustehen. Er würde sie rausholen. Er und Spartaco hatten am Nachmittag alle Gefahren besprochen, die ihnen in Triest widerfahren konnten. Probleme, die Tremani ihnen machen konnte, Eva Zurbano oder eben die Polizei. Spartaco de Kopfersberg hatte darauf bestanden, in dieser Hinsicht war er ganz sein Vater.
Drakic hatte für alle Fälle einen Wagen in der Via Redi geparkt. Durch die versteckte Tür in der Mauer, die der alte Kopfersberg vor Jahren ohne Genehmigung durchbrechen ließ, konnten sie das Grundstück auf der Rückseite unbemerkt verlassen.
Der schwarze Mercedes war die Via Redi hinuntergeschossen und hatte ohne zu bremsen die Via Rossetti überquert. Er hatte einen roten Fiat am Heck gestreift, während zwei andere Fahrzeuge, die mit Vollbremsung gerade noch einen Zusammenprall verhindern konnten, sich ineinander verkeilten und den dunkelblauen Alfa Romeo der Carabinieri blockierten, der als letzter Wagen vor der Kreuzung postiert war. Die Carabinieri gaben es über Funk durch, verfolgen konnten sie den schwarzen Mercedes nicht. Andere mußten die Suche übernehmen.
Der Mercedes hinterließ eine lange Bremsspur auf der Mole und schob mit dem Restschwung krachend einen Müllcontainer zur Seite. Spartaco de Kopfersberg und Viktor Drakic kletterten über die Barriere zu den Anlegern, die nachts abgeschlossen war. Mit der Corbelli müßten sie es schaffen. Sie wären schneller außerhalb des italienischen Hoheitsgebietes, als irgendein Schiff der Guardia Costiera oder der Polizia Marittima es verhindern könnte. Eines alleine hätte ohnehin keine Chance. Und auf dem nachtschwarzen Meer würde man sie nicht mehr finden.
Die Corbelli war rasch losgemacht, die vier Motoren sprangen spuckend und wimmernd beim ersten Druck auf den Anlasserknopf an. Nach wenigen Sekunden waren sie frei. Spartaco de Kopfersberg fuhr das Schiff ohne Beleuchtung aus dem Bereich der Anleger. Auf der Terrasse des Yachtclubs schauten ein paar Gäste zu ihnen herüber, die sich über den Lärm wunderten. Sie sahen, wie die Corbelli schnell das offene Hafenbecken erreichte. Dort drückte Kopfersberg die Gashebel mit einem Ruck zum Anschlag hinunter. Die Motoren machten einen entsetzlichen Lärm. Viktor Drakic hatte der Schub von den Beinen geholt. Er landete mit einem schmerzhaften Aufprall am Heck des Schiffs, hielt sich fluchend an einem der Edelstahlgriffe fest und versuchte, sich wieder aufzurichten. Ein Scheinwerfer wurde von der Küstenwache auf das schwarze Meer gerichtet, doch traf er die Corbelli erst, als sie schon weit draußen war. Sie schoß mit siebzig Knoten über die ruhige See. Von der Mole der Guardia Costiera legte ein Schiff ab, und auch bei der Polizia Marittima im Porto Vecchio blitzten die Blaulichter zweier Boote über das Wasser zum Yachtclub. Zu spät.
Viktor Drakic hatte sich mit der Kraft seiner Arme zurück ins Cockpit gezogen und stand wieder neben Spartaco. Er blickte angestrengt in die Dunkelheit, wo er die hüpfenden Bordlichter zweier vor Anker liegender Frachter ausmachte. Ihre Schiffswände unterschieden sich kaum von Meer und Himmel.
Spartaco zog die Corbelli nach backbord, und Drakics Fäuste schlossen sich eisern um den Haltegriff. Hart prallte das Boot auf den kleinen Wellen auf. Mit dem rechten Bein versuchte Drakic die enorme Fliehkraft des Kurswechsels auszugleichen. Schon kurz nach Muggia kämen sie in slowenisches Hoheitsgebiet. Das war Kopfersbergs Ziel. Dann würde er aufs offene Meer hinaussteuern und kurz darauf die kroatische Grenze passieren, und dann begannen die internationalen Gewässer.
Der ohrenbetäubende Lärm der Motoren war jetzt gleichmäßig. Der junge Kopfersberg stand mit wehendem Haar triumphierend am Steuer. Er hatte sich nur leicht auf die Kante des Pilotensessels gesetzt. Er warf
Weitere Kostenlose Bücher