Heinrich Mueller 01 - Salztraenen
müsste einen Herzschlag gehabt haben oder eingenickt sein.« Man erkannte Zaugg daran, dass er mit dem Mittelfinger über seinen langen Nasenrücken fuhr, wenn er nachdachte.
»Wäre möglich. Verletzungen an der Leiche sind nicht mehr festzustellen. Aber das Blut war ziemlich stark mit Alkohol verdünnt.«
»Dabei hab ich doch gehört, dass Alkohol in der Hitze verdunstet.« Das Lachen blieb ihm im Halse stecken, als er Hermann Blaser anschaute. Zaugg räusperte sich. »Entschuldige.«
»Es war kein schöner Anblick«, meinte Blaser. »Das eine Schnäpschen hier, der andere Kaffee fertig da, da läppert sich schon was zusammen.«
»Der Bähler Housi war bestimmt daran gewöhnt. Der hätte sich nicht so schnell beeindrucken lassen. Bleibt also ein Sekundenschlaf. Nun gut. Das Auto prallt an den Baum, dabei gehen die vordere und die hintere Scheibe zu Bruch, alles fängt Feuer, Housi verbrennt. Und was verbrennt mit ihm?«
»Alle seine Unterlagen. Die Listen der Milch-und Käseeinkäufe der vergangenen Monate, die Bezüge der Bauern.«
»Das ist bestimmt im Zentralcomputer von Mo loko gespeichert«, wandte Zaugg ein.
»Falls er dort alles eingetragen hat. Aber etwas anderes stimmt nicht.«
»War er angeschnallt?«, fragte Zaugg.
»Nein.«
»Und er hat keine Airbags in seiner alten Karre.«
»Stimmt.«
»Also ist er mit dem Kopf in die vordere Scheibe geflogen.«
In Blasers kurzen Haaren standen Schweißperlen, als er sagte: »Erstes Rätsel: Wieso ist die hintere auch kaputt gegangen?«
»Vielleicht ist sie beim Brand zersprungen.«
»Möglich ist alles, aber vorstellen kann ich mir das nicht.« Blaser fuhr weiter: »Zweites Rätsel: Warum brennt die Karre überhaupt? Vorne ist der Motor, der Tank liegt hinten.«
»Nun mach’s nicht so spannend. Was sagt der Untersuchungsbericht?«
Doch Blaser ließ sich von der Nervosität des jungen Kollegen nicht anstecken, als er referierte: »Der behauptet, jemand habe Benzin über die Karosserie geschüttet und angezündet. Der Tank sei erst später explodiert. Und er schließt: die beiden Scheiben seien beinahe gleichzeitig eingeschlagen worden.«
Zaugg pfiff leise zum Fenster hinaus, während er die Kühe auf der Weide beobachtete. »Im Klartext: Wir hätten es mit einem Mord zu tun.«
»Ja.«
»Wie lautet die Begründung?«
Blaser fasste aus dem Bericht zusammen: »Der Lack auf dem Blech ist von oben her verbrannt, wie wenn das Feuer sich von außen her durchgefressen hätte, während bei einem Brand im Motor oder vom Tank aus der Lack Blasen bilden würde, die man auch bei vollständiger Verbrennung noch sehen könne.«
»Dass sich die Benzindämpfe durch ein Loch im Tank erst ausgebreitet und dann entzündet haben könnten, ist nicht möglich?«, fragte Zaugg.
»Kaum. Benzindampf haftet nicht auf der Oberfläche, sondern verbrennt in der Luft. Erst wenn andere Materialien, zum Beispiel die Schaumstoffe in den Sitzen, mit flüssigem Benzin getränkt werden, brennen sie. Außerdem hatten wir Bise, der Wind kam also den Graben hinauf, Bähler hingegen fuhr abwärts. Also hätte der Wind die Benzindämpfe vom Auto weggeweht.«
»Gut überlegt, schlecht ausgeführt«, meinte Hans Zaugg.
Hermann Blaser antwortete: »Gut genug ausgeführt. Housi Bähler ist tot. Sämtliche Unterlagen sind verbrannt, das Notebook unbrauchbar. Und alle Spuren sind verwischt.«
Mittwoch, 20.9.2006
Hätte Heinrich Müller an diesem Morgen geahnt, wie die folgende Untersuchung, die so einfach und übersichtlich begann, enden würde, er hätte das Telefon klingeln lassen und wäre nicht aufgestanden. Er hätte sich noch einmal umgedreht und den Schlaf des Gerechten verlängert. Es wäre nichts weiter passiert, weil der Anrufer einen anderen Detektiv gesucht und keiner mehr nach ihm gefragt hätte. Aber das Leben besteht nicht aus Konjunktiven. Und Müller konnte jeden Auftrag gebrauchen.
So seufzte er denn seinen Namen in den Hörer. Seine Versicherung meldete sich, Peter Hofer, der Kontaktmann seiner Versicherung, um genau zu sein. Er berichtete kurz und knapp, wie er es gelernt hatte, die Fakten: Hans Bähler, Einwäger der Milch-und Käsegroßhandelsfirma Moloko, eine der größten der Schweiz, war ums Leben gekommen. Der Untersuchungsbericht der Polizei legte nahe, dass es sich bei Bählers Unfall nicht allein um einen Unfall gehandelt hatte, sondern Fremdeinwirkung anzunehmen war. Die Versicherung war nicht so sehr an der Aufklärung eines Mordes interessiert, eher
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