Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Weltraum. Was glauben Sie, wer ich bin? Meinen Sie, ich hätte diesen ganzen Zirkus hier in eigener Regie veranstaltet? Ich bin einer anderen Macht verantwortlich, die Ihre kleinlichen Gesetze nicht zu fassen kriegt. Sie haben ja keine Ahnung!«
»Dann erklären Sie es uns«, bat Spring höflich.
Damit hatte der verhinderte Hauptdarsteller nicht gerechnet. Er überlegte, wie viel er preisgeben sollte und sagte: »Vor vier Jahren bin ich von einem Ufo entführt worden.«
Müller wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
»Es sind außerirdische Bäcker, die nach neuen Rezepten suchen. Deshalb habe ich die Kornkreise entworfen. All diejenigen, die die Form eines Brotes haben, sind mein Werk. Sie sollen meinen Freunden im Weltall zeigen, welche Möglichkeiten wir hier auf der Erde entwickelt haben. Sie lassen uns in Ruhe, wenn wir unsere Geheimnisse mit ihnen teilen. Dafür habe ich gesorgt.«
»Bäcker?«, fragte Spring irritiert.
»Ja. Haben Sie noch nie von Manna gehört? Steht in der Bibel. Himmelsbrot, das den Israeliten auf ihrer vierzigtägigen Wanderung durch die Wüste als Nahrung gedient hat. Es muss am gleichen Tag gegessen werden, an dem es gebacken wird.«
»Ich habe gemeint, das Manna sei vom Himmel gefallen«, flüsterte Müller Spring zu.
»Bleib ruhig«, sagte dieser, und zu Roth: »Und nun möchten die Himmelsbäcker etwas Abwechslung in ihren Brotplan bringen?«
»Ja. Fast hätte es geklappt. Sie sind schuld, wenn es nicht so weit kommt. Ich warte jetzt auf den Laserstrahl, der mich zu ihrem Raumschiff bringt.«
»Und die Hexen?«, fragte Spring.
»Pah, die Hexen«, brummte Roth. »Die haben mich im Griff, seit ich diesen verdammten Teppich angerührt habe. Bei den Außerirdischen weiß man wenigstens, woran man ist. Aber die Hexen tauchen unerwartet auf, überfallen dich ohne Vorwarnung.«
»Was ich nicht verstehe«, überlegte Spring, »ist, was der Teppich von Delia Zimmermann mit dem Himmelsbrot zu tun hat.«
»Die Zusammenhänge sind immer schwierig zu begreifen, vor allem für Kleingläubige wie Sie.« Er zögerte und schien springen zu wollen, fasste sich jedoch wieder. »Es ging überhaupt nicht um den Teppich, sondern nur darum, etwas zu Geld zu machen, denn so ein Unternehmen will finanziert sein. Da gibt es keine Kompromisse.«
»Und da Sie das Geld Ihrer Eltern bei Getreideterminspekulationen verloren hatten, mussten Sie neues beschaffen.«
Pierre Roh seufzte und schüttelte seine schwarze Haarmähne. »So in etwa. Das Schicksal kommt stets in der Form von Sabine oder Désirée oder Nathalie. Die steht in der Ecke und unterbricht das Kaugummikauen nur durch das Anstecken einer Zigarette, bis irgendwann der Vorschlag kommt, sie solle teilhaben, wenn auch nur im Hintergrund. Vorbei ist’s mit der Männerfreundschaft, und das Schicksalsrad soll nur noch entscheiden, mit wem sie schließlich loszieht.«
»Mit Ihnen offensichtlich nicht«, sagte Heinrich, um der Sache ein Ende zu machen.
»Nein. Wir sehen uns nie wieder«, erklärte Roth.
»Und Ihre Désirée hieß Delia Zimmermann?«, wollte Spring wissen.
»Warum stellen Sie Fragen, deren Antwort Sie bereits kennen?« Roth wurde ungeduldig.
»Wie war das auf dem Mälzboden?«, fragte Müller. »Delia lag ausgerichtet auf den Holzdielen.«
»Ich habe sie bereit gemacht für Enki, der sie abholen wollte.«
»Zum Sirius?«
»Ja. Er hat mir das zweite Leben versprochen, wenn ich ein Opfer bringe.«
»Wer ist Markwalder?«, fragte der Fahnder.
»Sie kennen ihn?« Roth schien überrascht. »Er ist der Kontaktmann.«
Spring erklärte: »Markwalder kommt nicht. Er hat uns an seiner Stelle geschickt. Wir sind die Bäcker.«
Samstag, 15. August 2009
Zehn Tage waren seit dem Turmabenteuer und der Verhaftung von Pierre Roth vergangen. Leonie Kaltenrieder hatte alle Akteure zur Party ins Bauch & Kopf geladen. Diesen Anlass wollte keiner verpassen. Es versprach der Höhepunkt des Jahres zu werden. Allerdings hatte Cäsar Schauinsland das ausdrückliche Verbot, Feuerspiele irgendwelcher Art durchzuführen. Schließlich war die Filmpremiere angesagt, das würde für genügend Lärm sorgen.
Denn es war so: Sabina Schneiter von den Black-Box-Filmproduktionen hatte das vorhandene, abgefilmte Material beschlagnahmen und es in den eigenen Labors ausarbeiten und zu einem Streifen zusammenschneiden lassen, der zwar keine Spielfilmlänge fürs Kino erreichte, doch bestimmt an einigen Festivals vorgeführt werden konnte. Man
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