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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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selber für eine Verfilmung üben würden. Aber das Appartement war leer, Springs Erleichterung spürbar, denn bei einem Verdächtigen mit dieser Vorgeschichte musste man sowohl mit einem Schusswechsel als auch mit einem Selbstmord rechnen.
    Es blieb, die Fahndung auszulösen und das Haus zu untersuchen. Der Speicher war voller Gerümpel, der seit Jahren nicht mehr bewegt worden war, derart viel Staub hatte sich darauf abgelagert. Im Keller hatte die Feuchtigkeit alles mit Schimmel überzogen. Drei Büchsen Thunfisch, deren Verfallsdatum längst überschritten war, sowie ein Weihnachtsschinken vom Vorjahr lagen in einem Holzgestell, eine faulige Kartonschachtel enthielt einige Flaschen mit abgelöstem Etikett.
    »Ein Abbruchobjekt«, stellte der Störfahnder ernüchtert fest.
    Auch die Wohnung bot keine Überraschungen. Sie wurde offenbar selten benutzt, jedenfalls wies nichts auf einen regelmäßigen, längeren Aufenthalt hin. In den letzten Tagen jedoch war sie bewohnt worden. Das Bett wirkte benutzt, genauso wie die Küche, zwar nicht zum Kochen, aber doch zum Essen Es lagen Krümel und ein angeschnittenes Brot herum, ein bisschen Geschirr stand im Abtropfbrett.
    Im Wohnzimmer hatte sich Pierre Roth keine Mühe gemacht, die Tagesdecke vom Sofa zu nehmen, und auch nicht, die Papiere zu vernichten, die Bernhard Spring nun studierte.
    Es fanden sich verschiedene Versionen von angefangenen Briefen, die man sich als Rechtfertigung oder als Abschiedsnotizen zurechtlegen konnte. Unter einem Stapel von Büchern lagen zudem ein paar Ausdrucke aus einem Computer, der jedoch in Bern stehen musste.
    Spring zückte sein Handy und rief Pascale Meyer an, die gleichzeitig die Berner Absteige von Pierre Roth in Augenschein nahm. Sie hatte den PC bereits hochgefahren und überprüfte, ob die Dokumente darin abgelegt waren. Sie hatte die E-Mails bereits gelesen.
    »Erpresserbriefe«, sagte die Polizistin. »Sie sind deutlich an Delia Zimmermann gerichtet, auch wenn sie an eine fiktive Mailadresse geschickt worden sind. Wahrscheinlich hat er sie von dort weitergesendet, um seine Spuren wenigstens auf den ersten Blick zu verwischen.«
    »Wie die Dokumente, die mir vorliegen?«, fragte Spring.
    »Im Inhalt ähnlich, das waren offenbar Entwürfe für die Mails.«
    »Pierre Roth forderte demnach 50 Prozent des Erlöses aus dem Teppichverkauf und bot als Gegenleistung seine Hilfe beim Verstecken an«, sagte der Störfahnder. »Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass er auch den fingierten Diebstahl als Pluspunkt ins Feld führt. Gibt es eine Antwort darauf?«
    »Nur eine«, erklärte Pascale Meyer. »Kurz und bündig: ›25 Prozent ist mein letztes Wort!‹ Datiert vom 1. Juli, dem Tag vor dem Mord an Delia Zimmermann.«
    »Vielleicht ist unser Herr Müller doch aus dem Schneider, und es ging von Anfang an nur um die beiden«, überlegte Spring. »Wir werden sehen.«
     
    Von Pierre Roths Wohnung begaben sich die Polizisten nun zum Hôtel de l’Ours, einerseits, weil Haussuchungen durstig machten, andererseits wollten sie sich nach ihrem Hauptverdächtigen erkundigen.
    Der Wirt und seine Küchenburschen saßen in der Gaststube mit den vom Rauch vergilbten Wänden in einer dunstig-stickigen Atmosphäre, die durch rot-weiße Plastikdecken auf den Tischen noch verstärkt wurde, vor einer mächtigen Platte frittierter Egli-Filets und einer noch größeren Platte Pommes frites. Sie ließen sich vom Eintreffen der Leute aus der Hauptstadt nicht weiter stören.
    Erst als er die Finger der rechten Hand, mit denen er die Fische zum Mund geführt hatte, einzeln abgeleckt hatte, stand der massige Mann auf und streckte sie ihnen zum Gruß entgegen.
    »Pierre Roth«, gab Spring das Stichwort.
    Der Bärenwirt zuckte die Schultern.
    »Un copain.«
    »Ein guter Kollege?«
    »Nicht besonders. Seit seine Eltern bei einem Verkehrsunfall gestorben sind, kommt er nur noch selten her.«
    »Wann war das?«, fragte der Störfahnder.
    »Vor etwa vier Jahren. Es hat ihn aus der Bahn geworfen. Der Junge hat eine Ausbildung als Elektriker gemacht. Er hat zu trinken begonnen, seinen Job verloren, dann hat man nur noch gehört, dass er jetzt eine Karriere als Schauspieler angestrebt hat.«
    »Was haben Sie davon gehalten?«
    »Über so was schüttelt man hier oben nur den Kopf. Davon gibt es genug, drüben in der Anstalt, Leute, die sich zu Höherem berufen fühlen und den Alltag nicht mehr in den Griff bekommen.«
    »Und Pierre Roth? Hatte er den Alltag im

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