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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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schon mehrfach heftige Zeichen gemacht. »Wenn ich endlich mal etwas sagen darf, ich habe in dem Zug auch so einen komischen Mann kennen gelernt, der seinen Namen nicht sagen wollte, vielleicht ist das derselbe.« Knittel sieht die Zeugin fragend an.
    Sie weiß es nicht. Aber wenn sie den Schlafanzug sehen könnte?
    Wieso Schlafanzug? Der Vorsitzende wird ernsthaft ungeduldig. Aber Knittel läßt sich nicht irremachen und ruft in den Zuschauerraum: »Erika, nimm dir mal schnell ein Taxi und hol das Ding!«
    »Das habe ich nicht mehr«, ruft Erika zurück, »da habe ich allerhand draus gemacht!«
    »Dann holst du das, was du daraus gemacht!«
    »Das hast du doch an! Den neuen Schlips, hast du das noch gar nicht gemerkt?«
    Knittel besieht seine Krawatte und will sie aufknoten. Schon steht die Zeugin vor ihm, setzt sich eine seriöse Schildpattbrille auf die kleine Nase und beugt sich zu ihm herunter, um das Beweisstück aus der Nähe zu betrachten. »Es sieht fast so aus. – Gestatten Sie?« Sie zieht mit leichter Hand die Krawattenenden aus der Weste und befühlt die Seide prüfend zwischen den Fingerspitzen. Knittel ist von der Nähe der schönen Frau benommen, er zieht das Kinn an und wagt nicht zu atmen. – Nun?
    »Jawohl, das ist der Schlafanzug jenes Herrn, mit dem ich im Speisewagen zusammen war.«
    »In den Speisewagen kommt man nicht im Schlafanzug«, behauptet der korrekte Staatsanwalt; »woher also ist Ihnen dieses nächtliche Kleidungsstück bekannt?«
    Die Zeugin nimmt die Brille wieder ab und sieht ihm voll ins Gesicht. »Erwarten Sie darauf eine Antwort, Herr Staatsanwalt?«
    Der Vorsitzende interessiert sich weniger für die Beziehungen der Dame zu dem Schlafanzug; er will endlich wissen, was der Angeklagte damit zu tun hat.
    Knittel schwenkt seine Krawatte: »Sehen Sie, Herr Vorsitzender, hier ist der Beweis! Ich habe mein Geld keineswegs von dem großen Unbekannten, sondern von dem Herrn im Schlafanzug, der mit der Dame war.«
    »Soso, und der hatte so viel Geld bei sich?«
    »Nein, Geld eigentlich nicht, der hat mir nur einen Scheck geschrieben«, sagt Knittel und sieht sich triumphierend um.
    Die Wirkung entspricht nicht seiner Erwartung. »Daß jemand im Schlafanzug ausgerechnet ein Scheckbuch mit sich herumträgt, habe ich auch noch nicht erlebt«, meint der Vorsitzende, und die andern meinen das auch.
    Die Zeugin ist anderer Ansicht. »Doch, meine Herren, das gibt es.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Ihr Herr ein Scheckbuch im Schlafanzug hatte?«
    »Warum nicht? In unseren Kreisen pflegt man höhere Beträge durch Scheck zu erledigen.«
    Der Staatsanwalt ist zum dritten Mal im Bilde: »Angeklagter, wie kam dieser Mann dazu, auch Ihnen etwas zu schenken? Haben Sie die Bekanntschaft mit der Dame vielleicht – vermittelt?«
    Knittel steht blutübergossen. »Mit Ihnen rede ich nicht mehr. – Außerdem hat er mir gar nichts geschenkt, der hat mir nur meinen Anzug abgekauft.«
    »Und was haben Sie dafür erzielt, wenn man bescheiden fragen darf?«
    Knittel wird klein und bleich. Er weiß, jetzt wird man über ihn lachen, wenn er sagt: »– Zehntausend.«
    Niemand lacht. Moabit hat Mitleid mit armen Sündern, die nicht mehr aus und ein wissen und sich in eine Sackgasse lügen. Aber der Vorsitzende ist böse und haut mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Ich will zugeben«, fährt Knittel fort, »es war vielleicht ein bisschen viel und ich wollte das Geld auch gar nicht; aber der war so furchtbar im Druck und machte auch soweit einen ganz ordentlichen Eindruck, ich kann doch nicht ahnen, was das für ein Mensch ist.«
    An dieser Stelle wird Knittel von seinem Verteidiger unterbrochen: »Ich bin nicht ermächtigt, über die Persönlichkeit dieses Herrn, den zu vertreten ich die Ehre habe, auch nur die allergeringste Andeutung zu machen. Ich kann nur betonen, daß er infolge seiner besonders exponierten Stellung es sich nicht leisten konnte, im Schlafanzug über einen Berliner Bahnsteig zu laufen und der allgemeinen Lächerlichkeit anheimzufallen. In dieser Zwangslage war ihm kein Preis zu hoch, um an einen Anzug zu kommen.«
    Der Staatsanwalt ist wie immer im Bilde: »Furchtbar einfach, der Anzug war natürlich bei dem Fräulein.«
    »Nein«, sagte die Zeugin mit Betonung; »eben – nicht! Den Anzug hatte der Herr in seinem eigenen Abteil, hinten im Kurswagen nach Hamburg.«
    Kurswagen?
    Der Verteidiger überreichte dem Gericht ein Kursbuch. »Ganz recht, und in der Nacht wurde er

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