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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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neugierig auf den Balkon hinaus, der an der Reihe der Zimmer entlang luftig über der Straße hängt. Plötzlich hört Frau Delius ein wütendes Kläffen. Sie tritt hinaus, Pitt steht mit gesträubtem Fell am Ende des Balkons und bellt aus Leibeskräften in eine offene Tür hinein. »Pitti, was fällt dir denn eigentlich ein! Kommst du jetzt oder kommst du nicht?!«
    Pitt kommt natürlich nicht, und aus der fremden Tür. die er anbellt, fliegt ihm ein zusammengeknülltes Handtuch an den Kopf; ein wohlgezieltes Kopfkissen folgt. Pitt ist ein tapferer Hund, er kämpft mit dem Handtuch und verbeißt sich in den Kissenbezug. Schaden droht, Frau Delius muß ungeachtet ihres nächtlichen Gewandes hinzuspringen und will den Hund greifen – da prallt sie auf einen Herrn in Hemd und heller Sommerhose, der im gleichen Augenblick in der offenen Tür auftaucht. Es ist Doktor Delius.
    Nun stehen sie sich gegenüber und sehen sich an, verwirrt und befangen, aber nicht gerade feindselig. Jeder überlegt: Eigentlich müßte man sich entschuldigen, er wegen des Kissens, sie wegen des Hundes. Keiner weiß, was er sagen soll.
    Plötzlich fühlen sie, daß sie beobachtet werden. Tief unter ihnen, auf der Terrasse am See, sitzt die Reisegesellschaft beim Frühstück und starrt mit gereckten Hälsen herauf.
    »Bitte, meine Herrschaften, nicht so auffällig«, warnt der Reiseleiter.
    »Das interessiert uns aber«, sagt Frau Mengwasser und richtet ihren Feldstecher auf den Balkon.
    Zu spät! Unter den schonungslosen Blicken der Reisegesellschaft haben sich die Ehegatten zurückgezogen, er in seine, sie in ihre Tür. Es ist nichts mehr zu sehen.
    Der Frühstückstisch ist enttäuscht. Man kommt nicht dahinter: Sind sie nun miteinander verheiratet und machen keinen Gebrauch davon? Aber dann würden sie doch Ringe tragen. Oder sind sie ein Liebespaar und wollen es vor uns geheim halten? Aber wir sind doch gar nicht so.
    »Herr Reiseleiter, warum sagen Sie nichts dazu?«
    Der Reiseleiter steht auf dem Standpunkt, daß es nicht sein Amt sei, die Herzensangelegenheiten der Mitreisenden zu erörtern.
    Das Gerede bricht ab. Doktor Delius kommt und nimmt fröhlich Platz. Guten Morgen! Der Tisch tut unbefangen, aber Delius merkt, daß etwas in der Luft liegt, das wahrscheinlich ihn betrifft. Er spürt die Spannung und sieht heimliche Blicke.
    Schließlich platzt die Paula heraus: »Herr Platte, Sie wollten den Herrn Doktor doch etwas fragen, warum tun Sie das nicht?«
    »Verzeihung, ich wollte gar nichts«, sagt Platte, »außerdem möchte ich nicht dem Herrn Regierungsrat vorgreifen.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagt der Regierungsrat, »übrigens macht das Herr Mengwasser viel besser.«
    »Ich? Was fällt Ihnen ein«, sagt Herr Mengwasser. »Wenn hier jemand etwas wissen will, dann soll er selber den Mund auftun.« Der Tisch schweigt und beugt sich über die Kaffeetassen. Delius weiß, was kommt, und funkelt kampflustig hinter seinen Brillengläsern.
    »Wenn unsere Männer den Mut nicht haben, dann muß ich das erledigen«, erklärt schließlich die Studienrätin. »Also Herr Delius, wir halten das nicht länger aus, wir müssen das jetzt wissen, sind Sie mit der Dame eigentlich verheiratet, und wenn ja. warum Sie nicht – beziehungsweise wenn nein, warum Sie trotzdem –. Bitte, äußern Sie sich.«
    »Augenblick, gehen wir der Reihe nach: Zunächst möchten Sie wissen, ob die Dame meine Frau ist.« Delius zieht die Augenbrauen hoch. »Darüber – kann man verschiedener Meinung sein.«
    »Das ist keine klare Antwort, Herr Doktor. Entweder ist sie Ihre Frau oder sie ist es nicht, da gibt es kein Zwischending.«
    »Doch, das gibt es«, sagt er mit trauriger Stimme.
    Während man sich verblüfft ansieht und nicht recht weiß, wie man den dunklen Sinn deuten soll, ist auch Frau Delius im Garten erschienen. Der Reiseleiter begrüßt sie mit betonter Liebenswürdigkeit und setzt sie an seine Seite.
    Sind wir nun alle da?
    Das Hochzeitspärchen fehlt noch.
    »Die fehlen jeden Morgen«, sagt der Missvergnügte.
    »Sind aber hinreichend entschuldigt«, erklärt die Studienrätin. Und Platte sagt leise zu Paula, die in sich hineinkichert: »Wie wäre das mit Ihnen, Fräulein Hitze, möchten Sie nicht auch mal hinreichend entschuldigt sein?«
    Der alte Herr im Sonntagsanzug hat nachgedacht und gestattet sich, auch etwas zu bemerken: »Ich weiß es nicht, ob es das heute noch gibt. Zu meiner Zeit, wenn die jungen Paare nach der Hochzeit

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