Heinrich Spoerl
eigenartigen Beruf. Ich schreibe Bücher.«
Doktor Delius aber benutzt den Tag, um einen Schulfreund aufzusuchen, der auf dem Festland eine Bürstenfabrik hat. Er trifft ihn nicht an und kommt enttäuscht nach Hause.
Als er in den Lift steigt und die Tür hinter sich schließen will – es ist ein Lift zum Selbstbedienen –, springt noch im letzten Augenblick ein auffallend hübsches Persönchen zu ihm herein: »Wollen Sie mich nicht mitnehmen?«
»Bitte«, sagt Delius und sucht an den Etagenknöpfen. »Wo darf ich drücken?«
Das blonde Fräulein sieht ihn spitzbübisch an: »Bei mir dürfen Sie überhaupt nicht drücken. Wahrscheinlich wissen Sie auch gar nicht, wo.« Dann drückt sie mit dem wohlgepflegten Zeigefinger auf den Knopf zum fünften Stockwerk, und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung.
»So hoch hinaus?« fragt Doktor Delius, um auch etwas Geistreiches zu sagen.
»Ich habe Zimmer siebenundachtzig. Leicht zu behalten, hundert weniger dreizehn.«
Delius findet die kleine Person mit dem fremdländischen Tonfall amüsant, aber ein wenig aufdringlich, und weiß nicht, ob er das' Gespräch fortsetzen soll. Da bleibt der Fahrstuhl mit einem Ruck zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk stehen.
»Er will nicht: vielleicht bin ich zu schwer«, scherzt Doktor Delius.
»Dafür bin ich um so leichter«, sagt das Fräulein und lächelt ihn an. »Jetzt sind Sie mit mir eingesperrt. Ist Ihnen das sehr unangenehm?« – Delius weiß nicht, was er darauf antworten soll.
»Warum sind Sie denn so schüchtern? Aber das hilft Ihnen nichts, jetzt müssen Sie mir Gesellschaft leisten, bis man uns erlöst.«
»Das wird schnell geschehen«, sagt Delius und langt nach dem roten Signalknopf.
Das Fräulein hält seine Hand fest. »Bitte, keinen Alarm, das gibt unnötiges Aufsehen, und nachher heißt es noch, Sie hätten die Stockung absichtlich verursacht. So etwas gibt es nämlich, Herr Doktor. Sehen Sie mal hier, man braucht nur heimlich auf den Halteknopf zu drücken, dann bleibt der Fahrstuhl stehen, solange man will, und wenn man weiter möchte, drückt man wieder auf den Etagenknopf.« Sie tut es, und der Fahrstuhl surrt in die Höhe.
Das freundliche Fräulein tritt noch näher an Delius heran.
»Wissen Sie überhaupt, daß wir uns kennen? Sie sind Doktor Delius, nicht wahr?«
»Das bin ich, aber kennen tun wir uns nicht.«
»Schade. – Sie sind doch mit dieser schrecklichen Reisegesellschaft hier. Da sind Sie wohl sehr in Anspruch genommen, den ganzen Tag, vielleicht auch den Abend – oder?«
Der Fahrstuhl ist im fünften Stockwerk angekommen. Delius öffnet die Tür, das Fräulein steigt aus und sagt: »Auf Wiedersehen!« Ein Duftwölkchen bleibt zurück.
***
Das Schönste an einer Reise sind die Erinnerungen. Die Erinnerungen, die man in sich trägt – und diejenigen, die man vorzeigen kann. Der einfache Mann schreibt Ansichtskarten; wer etwas auf sich hält, fotografiert.
Man kann die Bilder auch fertig kaufen, einzeln und in Zickzack-Päckchen, dann sind sie billiger und wahrscheinlich auch besser und haben den Vorteil, daß man sie überall bekommt, von Orten wo man war und wo man nicht war. Auf dem Markusplatz gibt es Bilder vom Vesuv, und in Rom welche vom Corner See.
Was man allerdings nicht kaufen kann, sind die Aufnahmen von den fröhlichen Reisegenossen. Aber darüber braucht man sich keine Sorgen zu machen; auf jeder Fahrt findet sich ein freundlicher Mann, der eine Kamera hat und liebenswürdige Aufnahmen von uns macht, sich auch die Adressen notiert und einige Zeit später die Abzüge schickt oder nicht schickt.
Dieser freundliche Mann ist Herr Platte.
Als die Reisegesellschaft am anderen Morgen wieder unter dem Kommando des Reiseleiters steht und nach einem munteren Frühstück zur Besichtigung der Kirchen und Kanäle angetreten ist, springt Herr Platte vor und macht draußen am Hoteleingang noch schnell ein paar Bilder. Die Zeit ist zwar ein bisschen knapp, aber es ist rührend, in welch uneigennütziger Weise Herr Platte sich müht und herumspringt und seine kostspieligen Filme verschwendet.
Man wäre weniger gerührt, wenn man von der famosen Erfindung wüsste, die Platte auf diesem Gebiet gemacht hat: Man braucht nämlich keinen Film, man kann auch mit der leeren Kamera fotografieren, sie macht das gleiche »Klack«, wenn man auf das Knöpfchen drückt; niemand merkt die List, und wenn die Leute später keine Abzüge bekommen, dann ist die Reise längst vorbei und man
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