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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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ist es auch nicht anders gewohnt. So macht sich Herr Platte beliebt, ohne daß es einen Pfennig kostet. Er versäumt keine Gelegenheit, die Leute ausgiebig in Bromsilber zu betten, mit und ohne Dom, am Meer und vor dem Reiterdenkmal, in zwanglosen Haufen oder sorgfältig gestellten Gruppen. Es ist jedes Mal der Hauptspaß des Tages, mit viel Gedränge und Geschrei, jeder hat Sonderwünsche. Frau Mengwasser möchte vorn stehen, der Regierungsrat vermeidet Tuchfühlung, Paula ist traurig, weil Platte nicht mit aufs Bild kommt, der Missvergnügte behauptet, man bekäme doch niemals Abzüge, und von den beiden Delius stellt sich immer nur einer zur Verfügung.
    Das Fotografieren mit leerer Kamera ist nicht nur billig, sondern gibt auch ungeahnte technische Möglichkeiten. Man braucht sich um nichts zu kümmern, nicht um Entfernung, Blende und Belichtungstabelle, man kann bei jedem Wetter, in jedem Raum seine Aufnahmen machen, es gibt keine Verwacklungen und keine Enttäuschungen. Die leere Kamera kann alles; Platte ist offenbar ein großer Könner und erntet höchste Bewunderung. Nur der Stille, der die Hantierungen des tüchtigen Mannes sachkundig verfolgt, lächelt wissend vor sich hin.
    Darüber ist es halb zehn geworden. Der Reiseleiter klatscht sanft in die Hände und mahnt zum Aufbruch – da kommt eilig ein zierliches Zimmermädchen die Treppe herunter: Ein Gast sei erkrankt, und ob nicht zufällig ein Arzt hier wäre.
    Alles blickt auf Delius, und der Reiseleiter meint, daß man sich doch an einen Hiesigen wenden könne.
    Nein, es soll unbedingt ein deutscher Arzt sein.
    Da entschließt sich Delius – vielleicht ist er auch ein bisschen geschmeichelt –, läßt Reisegesellschaft und Besichtigung im Stich und folgt dem Zimmermädchen nach oben.
    Als er an die Tür klopft, antwortet von innen eine weibliche Stimme: »Ja, kommen Sie nur herein.« Delius tritt ins Zimmer und bleibt an der Tür stehen: Vor dem Frisiertisch sitzt, in einem luftigen Kimono, seine Bekanntschaft aus dem Fahrstuhl und fragt, indem sie sich Hals und Schultern pudert: »Wie ist das, Fräulein, kommt er oder kommt er nicht? – Ach so, da sind Sie ja schon, lieber Herr Doktor, ich wollte mich gerade ins Bettchen legen.«
    Delius sieht ihr sachlich ins Gesicht. »Oh, so schlimm? Was fehlt Ihnen denn?«
    »Das weiß ich nicht, Herr Doktor, dafür habe ich Sie doch rufen lassen. Sie müssen mich mal untersuchen, aber bitte recht gründlich, nicht wahr?«
    »Wo haben Sie Beschwerden?«
    Das Fräulein überlegt. »Eigentlich überall.«
    »Was heißt überall?« sagt Delius ungehalten, »ich muß doch wissen, worauf ich untersuchen soll.«
    »Auf alles, Herr Doktor!« Die Patientin tut einen bedeutsamen Augenaufschlag.
    »Also, wenn ich bitten darf – haben Sie irgendwo Schmerzen?«
    »Herr Doktor, warum sind Sie so streng mit mir? Aber wenn Sie alles so genau wissen wollen – also erstens habe ich keinen richtigen Appetit.«
    »Zeigen Sie mal die Zunge.«
    Das Fräulein macht die Augen zu und schiebt ihre Zungenspitze ein kleines Stückchen durch die Lippen.
    »Weiter heraus bitte!« Delius zieht mit einem Tüchlein die Zunge gehörig aus dem Mund. Das Fräulein ist nun weniger schön.
    »Haben Sie Druck auf dem Magen? Kopfschmerzen? Appetitlosigkeit?«
    »Ja – sehr sogar.«
    »Haben Sie das schon lange? – Dann wäre es vielleicht gut, wenn Sie sich den Magen mal auspumpen ließen.«
    Das zarte Fräulein wird blaß. »Nein, Herr Doktor, nein, nicht so was, das überlebe ich nicht! Kann es nicht vielleicht auch am Herzen liegen, ich habe nämlich manchmal solches Herzklopfen. Fühlen Sie mal.« Sie greift nach seiner Hand.
    Er aber fragt weiter: »Haben Sie das häufiger?«
    »Ich glaube.« –
    »Wann hauptsächlich?«
    »Herr Doktor, so dürfen Sie doch kein junges Mädchen fragen.«
    »Dann wollen wir mal nachsehen. Bitte machen Sie sich frei.« Er tritt vor das Fenster und blickt taktvoll auf die Straße. Währenddessen stellt er die üblichen Fragen. »Wie alt sind Sie?«
    »Was Sie alles wissen wollen! Also, ich bin vierundzwanzig Jahre alt, heiße Tomeczek, mit Vornamen Li.«
    »Verheiratet?«
    »O nein.«
    »Kinder?«
    »Aber Herr Doktor!!«
    Delius wartet noch ein Weilchen, dann fragt er: »Sind Sie soweit?«
    »Schon längst, bei mir geht so was furchtbar schnell.«
    Delius dreht sich um, aber das hat er nicht erwartet. »Ja, sind Sie denn verrückt! Das Herz sollen Sie frei machen, sonst nichts. Oder wissen Sie nicht,

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