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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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wo das Herz ist?«
    »O, Herr Doktor, bei mir ist überall Herz. Aber wenn Sie gleich so komisch sind, kann ich mir ja was überhängen.« Sie macht ein beleidigtes Gesicht und legt sich malerisch ihren Kimono um. Dann horcht ihr Delius das Herz und die Lunge ab, und da er kein Hörrohr zur Hand hat, muß er sein Ohr auf ihre Brust legen. Fräulein Li hat nichts dagegen einzuwenden.
    Eine halbe Minute ist völlige Stille.
    »Herr Doktor?«
    »Ja?«
    »Haben Sie schon etwas vor heute Abend?«
    »Bitte mal ruhig.«
    »Geht es Ihnen auch so, daß Sie sich manchmal so einsam fühlen?«
    »Leiden Sie an Hustenreiz?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Nächtliche Temperaturerhöhung?«
    »Das vielleicht schon eher. Können Sie da nicht mal nachsehen kommen?«
    Doktor Delius ist mit der Untersuchung zu Ende. »Ihre linke Lungenspitze gefällt mir nicht.«
    Fräulein Li verzieht den Mund. »Ihnen gefällt auch gar nichts an mir.«
    »Blutarm sind Sie auch. Jedenfalls rate ich Ihnen, sich nach der Reise einmal gründlich untersuchen zu lassen, Blutsenkung, Grundumsatz, vor allen Dingen muß die Lunge geröntgt werden. Da ist eine Dämpfung; ich kann nichts Genaues feststellen, aber man soll das nicht auf die leichte Achsel nehmen.«
    Auf Li haben die ernsten Worte einen tiefen Eindruck gemacht, sie sieht den Arzt aus erschrockenen Augen an. »Um Gottes willen, Herr Doktor, ist das wirklich so schlimm mit mir? Und ich habe immer gedacht, ich wäre so entsetzlich gesund.«
    »Dann hätten Sie mich doch wohl nicht rufen lassen.«
    »O Gott, das habe ich doch nicht geahnt. Nun sagen Sie mal richtig, lieber Herr Doktor, ist das überhaupt noch zu heilen, oder –?« Sie hat sich auf einen Stuhl fallen lassen und fängt ehrlich an zu weinen.
    Delius erblickt seine ärztliche Aufgabe jetzt darin, die Fassungslose zu trösten. Er streicht ihr über das Haar, tupft ihr die Tränen aus den Augenwinkeln. »Aber liebes Kind, nun lassen Sie mal den Kopf nicht hängen, es ist ja alles noch nicht endgültig. Und wenn Sie wirklich einen kleinen Knacks haben sollten – den haben wir schließlich alle einmal –, und wenn Sie dann vernünftig leben und sich ein bisschen schonen, können Sie alt dabei werden.«
    »Ja, das will ich auch, ich will aber auch jung bleiben«, sagt Li und versucht zu lächeln. »Sie nicht auch, Herr Doktor? – Ach, wollen Sie schon gehen? – Jedenfalls war es sehr lieb von Ihnen, daß Sie sich bemüht haben, und ich weiß auch gar nicht, wie ich Ihnen das gutmachen soll.«
    »Sagen wir, zehn Mark.«
    »Meine Damen und Herren! Nachdem wir uns jetzt das echt italienische Abendessen haben munden lassen –«
    »Jawohl, Seespinnen und Tintenfische, Quallen und Quabbeln –« mäkelt der Missvergnügte.
    »– köstlich haben munden lassen, Herr Knörig – wollen wir jetzt zum Abschluß unseres hiesigen Aufenthaltes noch einmal eine kleine Gondelfahrt machen, die allerdings im Preis nicht einbegriffen ist.« Er beginnt seine Schäflein zu zählen.
    »Ich fahre nicht mit«, sagt Frau Mengwasser, »mein Mann ist weg, der hat sich wieder mal selbständig gemacht.« – »Männer haben das mitunter nötig«, tröstet die Studienrätin, »aber ich helfe Ihnen suchen.«
    »Wir sollen Kahn fahren?« fragt der alte Herr und bewegt mißtrauisch den Schnabel einer Gondel, »ich glaube, das ist mehr was für die Jugend.« Und zieht sich zurück.
    »Kommen Sie, Paulchen«, flüstert Platte, »ich weiß was viel Schöneres für uns beide, hier ganz in der Nähe.«
    »Wissen Sie überhaupt, warum die Gondeln schwarz sind?« belehrt der Missvergnügte, »das ist noch aus der Zeit der großen Pest, damals, als die Menschen wie die Fliegen starben. Schwarze Särge!«
    Daraufhin will auch die Elegante nicht mit, und der Herr Regierungsrat schließt sich ihr an.
    »Ich glaube, ich nehme auch davon Abstand, als armer Einspänner würde ich mir überflüssig vorkommen«, meint der Stille mit einem Blick auf die Eheleute Delius und das Hochzeitspaar, die einzigen, die von dem Rudel noch übrig sind.
    Der Reiseleiter hilft ihnen beim Einsteigen. Das Hochzeitspärchen, schön und bescheiden wie immer, bezieht in der Mitte der Gondel das Häuschen mit den roten Vorhängen, hinter denen man weich und geborgen sitzt. Herr und Frau Delius blicken sich fragend an, jeder ist gespannt, wie der andere sich entschließt. Wird er die Frechheit haben, mitzufahren, oder feige sein und sich drücken?
    In diesem Augenblick erscheint Fräulein Li. Sie

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