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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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sind besser geworden, und das Geld wieder wertvoll, und ich pfiff ein Liedchen zum Takt der Schienenstöße. Dann mußte ich aussteigen und mir die Schuhe anziehen. Aber die Schuhe hatte mir jemand gestohlen.
    Also bin ich barfuss nach Hause gekommen. Um den Zorn aus dem Herzen zu treiben und endlich mein lustiges Buch anzufangen, habe ich aus der Kommode einen echten unverzollten Arrak geholt. Ich habe den Wassertopf auf den Ofen gestellt, mir beim Nachbarn einen Korkenzieher geliehen und ein dünnes Glas mit den Enden meiner Krawatte poliert.
    Denn das Leben ist gar nicht so schlecht, wie es tut. Man muß ihm nur richtig begegnen.
    Und dann habe ich den Korken gezogen und von dem unverzollten Arrak in das Glas gegossen und den seltenen Duft in meine Nase gesogen. Aber hinreißend war der Duft eigentlich nicht. Ich steckte die Nase tiefer ins Glas. Ich suchte den Duft. Und ich nippte. Der unverzollte Arrak war Wasser!
    Wasser, das nun die Wand hinunterrinnt zu den Scherben am Boden.
    An was soll man sich noch halten, wenn selbst der Schwarzhandel auf schlechte Wege gerät, wenn die Korruption korrumpiert?
    So sitze ich wieder am Schreibtisch, und anstatt Geschichten zu schreiben, denke ich darüber nach, wie man Ordnung in unsere Verhältnisse bringen könnte.
    Und sicher tut die Regierung das auch.
    Da also von oben Hilfe nicht kommt, sollte man selbst –, nein, man müßte sogar –!
    Wer ist »man«?
    »Man« ist ein jeder von uns, »man« bin auch ich! Ich sollte, ich müßte. –!
    Und was müßte ich?
    Ich müßte an der richtigen Stelle sitzen. Nicht oben, denn die hohen Stellen sind wackelig, sondern unten, nahe den Menschen. Mir würde genügen, Wachtmeister zu sein bei einer kleinen Gendarmerie. Eben nur Wachtmeister, der aber den heißen Willen hat, die Machtbefugnisse und den Mut, wenigstens in seinem Bereich Ordnung zu schaffen, der den Kampf aufnimmt gegen die Unlauterkeit und den Menschen und der Obrigkeit zeigt, wie es gemacht werden muß.
    ***
    So schärft er schon bei Dienstantritt seinen Hilfsbeamten ein: »Unnachsichtig vorgehen, ohne Ansehen der Person, und allem nachgehen, was übel riecht, selbst den scheinbar kleinsten Fällen, denn im Kleinen fängt es an! Und selbst unangreifbar bleiben durch Korrektheit und äußerste Sauberkeit! Um auf diese Weise Ausgangspunkt zu werden und Vorbild für eine allgemeine Welle der Säuberung. – Haben Sie mich verstanden?«
    Der kleine kugelige Hilfsbeamte Gladbach reißt vor Diensteifer die Hacken zusammen: »Jawohl, Herr Wachtmeister, Welle der Säuberung.«
    Aber der lange phlegmatische Neuß steht ungerührt: »Nix für unjut, Chef, dat hatten mer schon oft, wenn der Chef neu war. Aber dat legt sich bald wieder.«
    Wachtmeister Derendorf würdigt ihn keiner Antwort, schließt den obersten Knopf seiner Uniformjacke und geht eine prüfende Runde durch die Wachstube der friedlichen Gendarmeriestation. Durch die zu ebener Erde gelegenen Fenster scheint streifig die Sonne, und wenn draußen jemand vorbeigeht, kann man seinen Kopf nicht sehen, aber sein Schatten gleitet über Fußboden und Wände. Auf der Fensterbank liegen rücklings Fliegen, die unbefugt durchs Fenster kamen und es elend büßten. Und zwischen ihnen steht ein Kaffeekännchen aus Emaille, das der Hilfsbeamte Gladbach schleunigst in den Schrank verschwinden läßt.
    Und dann stößt Derendorf auf den Papierkorb.
    »Das ist unser Papierkorb«, meldet Hilfsbeamter Gladbach.
    »Der is für dat dumm Zeug, wat mer gleich wegwerfen«, erklärt Hilfsbeamter Neuß.
    »Für uns gibt es kein dummes Zeug, und bei uns wird auch nichts weggeworfen, sondern kommt auf den Schreibtisch, wird zur Kenntnis genommen, bearbeitet und – auf jeden Fall – beantwortet!«
    Zu zweit schleifen die beiden Hilfsbeamten den Papierkorb aus dem Raum. Gedankenvoll steht Derendorf vor dem Diensttelefon, einem hölzernen Kasten, der an die ölgestrichene Wand geschraubt ist. An einer fettigen Schnur baumelt ein Blaustiftstummel mit abgebrochener Spitze.
    »Da war schon immer so«, verteidigt ihn Neuß.
    Derendorf öffnet sein Taschenmesser und spitzt den Blaustift an. Auch in das Telefon wird er Leben bringen und in den Blaustiftstummel.
    Er setzt mit knarrenden Schritten seine Runde durch den Raum fort. Schließt das eiserne Gerätespind auf, in dem die Karabiner ruhen und zwei verrostete Kanister. In einem Fach findet er einen abgebrauchten Sack, den er mit Misstrauen betrachtet, denn ein Sack gehört nicht zur

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