Heinrich Spoerl
Platte den letzten Anlauf: Mama werde ihm sicher gefallen, und ob er nicht am Sonntag zum Essen kommen wolle? Platte hüllt sich in Schweigen; er weiß, gleich bei der Ankunft wird er von Frau und Kind in Empfang genommen, und die Paula muß sich mit dem Hund Pitti begnügen, den ihr Frau Delius liebevoll geschenkt hat. Der Missvergnügte aber zählt seine Reisekasse und zieht Bilanz, er dividiert den Gesamtbetrag der Kosten durch die Summe der gelieferten Genüsse und muß feststellen, so sehr er auch rechnet und sich dagegen sträubt, das Ergebnis ist günstig. Besonders lebhaft ist das nichtssagende Hochzeitspärchen, es kramt in seinem Gepäck und sortiert hastig das beiderseitige Eigentum auseinander. »Wie ist das, schreiben wir uns auch mal?« Die Studienrätin hat es deutlich gehört, aber sie hat biologisches Verständnis und ist zufrieden, daß die beiden jungen Menschen immerhin die Form gewahrt haben.
Der Stille ist noch stiller geworden. In seinem Kopf spinnt sich bereits das neue Buch, das er schreiben will, mit allem, was auf der Reise geschehen ist, und mehr noch mit dem, was nicht geschehen ist, aber hätte geschehen können. Die erdichtete Wirklichkeit ist ihm wichtiger als die wirkliche.
Da ist vor allem das Ehepaar Delius, dessen Scheidungsreise nun doch noch eine Hochzeitsreise geworden ist. Für die beiden hat er allerdings noch eine Überraschung in Bereitschaft: Wenn sie jetzt ankommen und aussteigen, werden sie von der beiderseitigen Verwandtschaft erwartet werden, die an der Haltestelle steht und sich wechselseitig wundert, was die andere hier zu suchen hat.
Und der Oberpostrat wird sein Kind in die zitternden Arme schließen: »Ilse, gut, daß du da bist! Denk mal, der Prozeß ist gewonnen! Und weißt du auch, warum?«
»Was für ein Prozeß?«
»Deine Ehescheidung! Nun sieh mich nicht so erschrocken an, freust du dich denn gar nicht?«
Und die Schwester des Doktor Delius wird ihren Bruder in dem Menschengedränge zur Rede stellen: »Ehrlich gesagt, Junge, du hättest dich etwas mehr zusammennehmen können, wenigstens solange der Prozeß läuft; jetzt hast du die Bescherung. Mit wem ist dir denn das passiert?«
»Was?«
»Der Ehebruch! Nun stell dich nicht dumm, hier kannst du es lesen, schwarz auf weiß und gerichtlich festgestellt. Schämst du dich nicht?«
»Sehr«, sagt Delius, nimmt seine Frau unter den Arm und verschwindet mit ihr im Schleier des nächtlichen Regens.
Der eiserne Besen
Da schmettere ich die Flasche gegen die Wand; der Inhalt fließt an der Tapete herab.
Nun ist es wieder nichts mit dem lustigen Buch, das ich lange schon schreiben wollte, weil die Zeiten so ernst sind. Denn ich bin gar nicht lustig, sondern böser denn je!
Auf bloßen Füßen tapse ich zu dem Kanonenöfchen, das tapfer gegen Kälte und Schnee anglüht, werfe Holzkloben in sein bullerndes Bäuchlein und nehme von der heißen Platte den Wassertopf, der zum Grog werden sollte.
Natürlich hatte das Wirtschaftsamt damals recht gehabt: man braucht keine Schuhe zum Dichten; aber man will doch auch einmal aus dem Haus und unter Menschen gehen, und sich anregen lassen und nicht immer nur aufregen. Der Schuhmacher hatte für ein Paar Schuhe mein Radio oder einen kompletten Bettbezug verlangt. Mein Radio war längst beim Metzger, und meinen Bettbezug konnte ich nicht entbehren, denn ich muß auf mich halten, als Intellektueller. Und dann war der Tag ›X‹ gekommen, da standen Schuhe im Schaufenster, jeder konnte sie kaufen, so er das Geld dazu hatte. Ich aber war nur ein Schriftsteller. Doch plötzlich gab mir das Wirtschaftsamt einen Bezugschein.
Nun fange ich das lustige Buch an, dachte ich beim Verlassen der lieben Behörde, und lief eilends zum Schuster. Er stand würdevoll zwischen handgearbeiteten Schuhen und Preisen in schwindelnder Höhe, aber billige Schuhe auf Bezugschein, die führte er nicht mehr.
Heute bin ich in die Kreisstadt gefahren und habe mir dennoch die Schuhe gekauft, ohne den dummen Bezugschein und für erschreckend viel Geld. Ich zog sie gleich an, und die alten Schuhe ließ ich zurück, denn ich schämte mich, sie noch einpacken zu lassen und mitzunehmen, die häßlichen Dinger, und stieg in die Bahn, um nach Hause zu fahren.
Weil die Schuhe noch neu waren und hinten drückten, zog ich sie aus und stellte sie neben mich auf die Bank, damit keiner drauf tritt. Und dann träumte ich davon, was ich nun Lustiges schreiben werde, und mir fiel allerhand ein, denn die Zeiten
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