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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Zimmern ist unstatthaft‹. – ›Es ist untersagt, auf den Gängen Holz zu hacken!‹ – ›Es ist verboten, Abfälle in das Klosett zu schütten!‹
    Auf dem ersten Stock findet Derendorf das gesuchte Zimmer und klopft an.
    »Herein!«, ruft eine Kinderstimme.
    Es ist ein Zimmer der Zeit: Ein morscher Küchenschrank lehnt sich gegen eine glänzende Glasvitrine, neben dem beschädigten Küchenherd steht ein monströser Radioapparat – gerettet oder geklaut, denkt Derendorf – und auf einem polierten Tisch thront eine fettige Abwaschschüssel.
    Am Fenster steht ein vierjähriges Mädelchen im zerrissenen Pyjama und wirft Möhren in einen Topf, der mitsamt der elektrischen Kochplatte auf dem Sitz eines Polsterstuhles schaukelt.
    Derendorf hat sich im Zimmer umgesehen: »Ist denn hier keiner zuhause?«
    Das Mädelchen läßt sich bei der Arbeit nicht stören: »Mutti ist im Kino und der Onkel kommt gleich.«
    »Was für ein Onkel?«
    Das Mädelchen strahlt ihn an: »Wir haben jetzt einen neuen.«
    »So?« Derendorf fischt die Möhren wieder aus dem Wasser, schneidet mit seinem Taschenmesser das Grün ab und schnipselt die Möhren klein, wie es sich gehört. »So, ihr habt jetzt einen neuen! Wo ist denn der alte?«
    Das Mädelchen wischt sich die Pfötchen am Pyjama ab: »Der darf nicht mehr kommen.«
    »War er denn nicht brav?«
    »Och, – der hatte ja nix!«
    »Hat denn der neue Onkel was?«
    Das Mädchen, selig: »Ja! Und der gibt mir auch immer Schoklad – mit Silberpapier drum!« Das Mädelchen befühlt Lederkoppel und Pistolentasche und gesteht in ehrlicher Bewunderung: »Aber so einen feinen Onkel wie du haben wir noch nicht gehabt?«
    Derendorf klappt verlegen sein Taschenmesser zusammen.
    Das Mädelchen hängt noch an seinem Koppel: »Willst du nicht warten, bis Mutti kommt? Ich habe eine hübsche Mutti!«
    Derendorf stehen die Haare zu Berge; er reicht dem Mädelchen die Hand: »So? Dann soll sie mal lieber an den Pappi schreiben!«
    »Ach der!« Das Mädelchen verzieht geringschätzig das Mäulchen: »Der kommt ja doch nicht mehr wieder.«
    Vor der Tür wendet sich Derendorf noch einmal um: »Sag mal, wo wohnt denn euer – Onkel?«
    »Du bist aber dumm«, lacht das Mädelchen, »der wohnt doch bei uns, aber jetzt ist er im Dienst.«
    »Im Dienst? Was macht er denn für einen Dienst?«
    »Der paßt auf die Leute auf, wenn sie nicht artig sind.«
    Derendorf hat einen bösen Verdacht: »Wie sieht der Onkel aus? Wie heißt er? Und was macht er mit den Leuten?«
    Das Mädelchen kommt dicht an ihn heran und eröffnet ihm stolz das Geheimnis: »Da müssen die ihm Geld für geben, sonst geht er zu dem bösen Derendorf und zeigt sie an.«
    Das also ist die Kehrseite seines guten Rufes!
    Im Flur stößt Derendorf auf die Wirtin: »Nehmen Sie keinen Anstoß daran, daß bei Ihrer Untermieterin ein sogenannter Onkel wohnt? Im Beisein eines Kindes?«
    Aus dem dicken Gesicht sehen ihn wäßrige Augen dumm an: »Och, das Kind, das soll froh sein, daß es einen Onkel hat.«
    »Aber es ist nicht nur einer, sondern alle paar Wochen ein neuer!«
    »Ja, so sind die Männer«, seufzt die Wirtin, »und sie taugen nur, solange sie neu sind.«
    Derendorf kann nur mit Mühe seinen Unmut unterdrücken: »Ihre Ansichten sind – auch als Zimmervermieterin – reichlich modern.«
    »Man geht mit der Zeit mit, Herr Wachtmeister, Gott sei Dank!« Die bröckelige Stimme bekommt einen schrillen Unterton. »Und damit Sie es wissen, eine Frau, die nicht modern denkt, die kostet dem Staat nur Unterstützung.«
    »Welche Personen wohnen sonst noch bei Ihnen?« Derendorf ist plötzlich eiskalt und amtlich.
    »Lauter anständige Damen, Herr Wachtmeister, und bezahlen alle pünktlich ihre Miete. Und außerdem haben wir jetzt die Gewerbefreiheit, Gott sei Dank!«
    Da macht Derendorf kehrt und marschiert auf die nächste Tür los, klopft kurz an, hört einen einladenden Seufzer und tritt ein.
    Sie liegt auf der Couch. Derendorf sieht nur die Beine, und darüber und darunter auf dem Boden daneben Stöße von Magazinen. Der Oberkörper richtet sich auf, und über die Knie guckt ein pausbäckiges Gesicht mit kühn gezogenen Augenbrauen, faul und gesund.
    »Entschuldigen Sie!«, sagt Derendorf.
    »Weswegen?«, fragt das Mädchen.
    »Ich meine –« Derendorf sieht diskret an den Beinen vorbei, »weil ich – weil Sie – also kurz und gut: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?«
    »Das sehen Sie doch: Ich bin krank.«
    »Ach so.

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