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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Derendorf hat hier gar nix verloren. Ich stell den Antrag: Den lassen wir einfach gar nit rein!«
    »Den lassen wir nit erein!«, beschließen die Gemeinderäte im Chor und sehen entschlossen auf die Tür.
    Es klopft.
    Es klopft wieder, etwas energischer.
    Bürgermeister und Gemeinderäte: »Her – herein.« Und verbeugen sich tief, als Derendorf eintritt.
    »Nett, dat Sie uns mal besuchen kommen, Herr Wachtmeister!« Die Stimme des Bürgermeisters ist wie mit Mehl bestaubt: »Was verschafft uns die Ehre?«
    »Meine Herren! Ich habe Ihnen eine wichtige Eröffnung zu machen.«
    Die Gemeinderäte sehen sich betroffen an. – »Jeht dat nit ein andermal?«, meint schließlich einer. – »Oder schriftlich«, meint der Bürgermeister. »Mir sind nämlich jrad beim Wählen!«
    »Eben deshalb«, lächelt Derendorf. »Ich nehme an, daß Sie an die Spitze der Gemeinde einen Mann stellen wollen, der durch seine Redlichkeit uns allen ein leuchtendes Vorbild ist.«
    »Aber jewiß dat! – Aber sicher! Wenn Sie vielleicht selber –«
    »Ich stehe nicht zur Debatte. Aber ich habe gehört, Sie wollen den vorigen Bürgermeister als neuen Bürgermeister wiederwählen!«
    Es ist ganz still.
    »Ist Ihnen bekannt –« Derendorf zieht einen langen Zettel aus der Uniformtasche: »Erstens ist Ihnen bekannt, daß der bisherige Bürgermeister in zweiunddreißig nachgewiesenen Fällen Geschenke angenommen hat?«
    Der Gemeinderat gerät in Bewegung: »Hört, hört!«
    »Da seht ihr«, ruft der Bürgermeister, »wie beliebt dat ich war!«
    »Zweitens«, fährt Derendorf fort, »ist Ihnen bekannt, daß der Bürgermeister in siebzehn nachgewiesenen Fällen seine Amtshandlung von solchen Zuwendungen abhängig gemacht hat?«
    »Pfui, pfui!«
    Der Bürgermeister: »Dafür sind die Sachen bei mir auch vorangegangen; einen sturen Pedant könnt Ihr auf dem Posten nit brauchen!«
    Derendorf fährt fort: »Und drittens ist Ihnen bekannt, daß der bisherige Bürgermeister in den zwei Jahren seiner Amtstätigkeit sich ein Vermögen erworben hat, obgleich er sonst ohne Beruf und Einkünfte ist?«
    »Hört, hört! Pfui, pfui!«
    Der Bürgermeister: »Verdient haben mer all!«
    Derendorf sieht ihm scharf in die Augen: »Aber Sie waren ehrenamtlich tätig, Herr Bürgermeister.«
    »Jewiß dat. Aber wenn man schon nix dafür kriegt, dann will man wenigstens wissen, wofür man es tut.«
    »Und den –, den wollt ihr wieder zum Bürgermeister wählen?«, ruft Derendorf.
    »Niemals!«, schwören sich die Gemeinderäte im entrüsteten Chor.
    Als Sieger kommt Derendorf aus dem Rathaus, drängt sich durch die wartende Volksmenge und hebt sein Motorrad vom Ständer. Plötzlich sehen alle Leute nach oben, auch Derendorf sieht hinauf: Auf dem Balkon des ersten Stockwerkes sind die Gemeinderäte erschienen und schieben vor sich her den ehemaligen Bürgermeister. Dann hängen sie ihm die Bürgermeisterschärpe um und setzen ihm den Dreispitz auf: »Es lebe der neue Bürgermeister!« Und die Schützenkapelle fällt ein und begrüßt den Wiedergewählten mit Posaune und Tschingderassabumm!
    Derendorf braust mit seiner Maschine davon.
    ›Geehrter Herr Wachtmeister!
    Ich werde noch immer nicht nach Hause entlassen, und habe ich seit drei Jahren keinen Brief mehr von meiner Frau bekommen. Bitte Sie, nach derselben zu sehen und nach dem Kind. Habe aus der Heimat gehört, daß Sie so freundlich sind und sich um alles kümmern.
    Mit geschätzter Hochachtung.‹
    folgt Unterschrift.
    Derendorf greift zum Federhalter und vermerkt auf den Brief: »Urschriftlich weitergeleitet an die Gemeinde –«
    Nein! Die Gemeinde mag zwar zuständig sein, aber ob sie zuverlässig ist, darüber hat Derendorf nun seine Zweifel.
    »Kennen Sie diese Frau?«, fragt er seine Hilfsbeamten.
    Gladbach eifrig, wie immer: »Selbstverständlich, Herr Wachtmeister.« Wird plötzlich rot: »Das heißt, ich selbst natürlich nicht.«
    »Dann lebt sie also noch?«
    »Dat kann man wohl sagen!«, knurrt Neuß.
    »Und was macht das Kind?«
    »Och, dat wird so mit de Zeit älter.«
    Derendorf steckt den Brief in die Rocktasche, setzt sich die Mütze auf und begibt sich zur Rheingasse 11.
    – Er steigt schmutzige Stufen empor, aus denen leere Teppichösen ragen. Das Messinggeländer wackelt in der Wand, und aus der Holztäfelung sind Bretter gerissen und haben wahrscheinlich den Weg durch den Schornstein genommen. Dafür hängen an der Wand mit Rotstift umränderte Papptafeln: ›Das Waschen auf den

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