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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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hysterische Frauenstimme. Ein Schrank fällt polternd um. Eine neue Männerstimme tobt: »Und dafür bezahle ich dir dauernd deine Miete und schenke dir Seife und Höschen!«
    – Eine Tür knallt zu. Frauen geraten sich in die Haare, so schrill und laut, daß man sie nicht versteht.
    Im Halbdunkel auf der Straße hat sich die neugierige Bevölkerung versammelt: Männer, Frauen, halbwüchsige Burschen und alberne Mädchen. Und alle sehen hinauf zu den Fenstern und erfreuen sich an dem Hörspiel.
    Die Turmuhr schlägt elf. Neuß, in der Tür, steckt schnell sein Pfeifchen in die Hosentasche. Und schon knattert Derendorf auf die Bildfläche, hält kurz vor dem Haus, richtet den Scheinwerfer seines Motorrades auf den Eingang und kommandiert, im Sattel sitzenbleibend: »Aufmachen! Rauslassen!«
    Neuß stößt die Tür auf. Hell und unerbittlich angestrahlt von Derendorfs Scheinwerfer, kommen im Gänsemarsch die Sünder hervor. Der Volkshaufen gerät in Bewegung. Ausrufe werden laut und unterdrücktes Lachen. Ein junges Mädchen erkennt ihren Bräutigam und bricht in Tränen aus; er greift nach ihrem Arm, aber sie weicht böse zurück, hört, wie die Leute wiehern, besinnt sich, nimmt den Arm ihres Liebsten und führt ihn weinend davon. – Ein kaufmännischer Angestellter grüßt in ironischer Devotheit seinen betretenen Chef mit Kneifer und Krawattennadel, der sich die Melone ins Gesicht schiebt und dadurch von allen erkannt wird. – Ein Vater erblickt seinen frühreifen Sohn und versetzt ihm eine schallende Ohrfeige; der Sohn aber zieht aus der Rocktasche ein Paar Hosenträger und überreicht sie grinsend seinem Erziehungsberechtigten. – Eine energische Frau nimmt ihren verschüchterten Ehemann in Empfang und pufft ihn unsanft vor sich her, dicht an Derendorf vorbei. Aber dann dreht sie sich noch einmal zu Derendorf um: »Sie Schwein, Sie sollten sich was schämen!«
    ***
    Am nächsten Vormittag schleift Neuß einen gediegen aussehenden Herrn vor Derendorfs Schreibtisch: »Dat is der neue Onkel, der auf die Leut aufpaßt!«
    Aha! – »Sie sind Herr Toni Seifert. Von Beruf?«
    »Jawohl. Hellseher und Friseur.«
    »Uns ist zur Kenntnis gelangt, daß Sie Personen beobachten, die sich strafbar machen!«
    »Jawohl. Dat tun Sie ja auch.«
    »Es ist unser Beruf.«
    »Und ich tu es sogar freiwillig!«
    »Sie verlangen den betreffenden Personen Geld ab!«
    »Dat tut der Staat auch!«
    »Und drohen bei Nichtzahlung mit Anzeige bei der Polizei.«
    »Jawohl. Geld oder Gefängnis. Ganz genau wie bei Jericht.«
    »Das ist etwas anderes, Strafverfolgung durch die Justiz!«
    »Jehen Sie mir weg mit der Justiz. Die kommt schon ohne meine Fälle nit mit der Arbeit durch. Die muß nachforschen und beweisen, aber bei mir geht dat einfach, ruhig und im Handumdrehen. Wer ein schlecht Jewissen hat, der zahlt, und wer es nit hat, der läßt es bleiben, den zeig ich an und überlaß ihn dem Staatsanwalt –«
    »Ich kann mich nicht entsinnen«, unterbricht Derendorf den Herrn Seifert, »daß Sie jemals bei mir eine Anzeige gemacht haben. Wie erklären Sie sich das?«
    »Ganz einfach, Herr Wachtmeister, die haben all brav gezahlt, da war keiner drunter, der ein gut Jewissen hatte.« Er rückt näher an Derendorf: »Herr Wachtmeister, Sie haben selber mal gesagt: hier muß aufgeräumt werden. Und dat hat mir imponiert. Und ich hab mir gesagt, dem Derendorf, dem werd ich beistehen, hab ich mir gesagt. Sie und ich, wir wollen doch wieder Moral unter den Leuten, oder nit. Und darum müssen sich die Leut fürchten, und es muß ein Auge geben, dat alles sieht. Und dat Auge, dat bin ich, Herr Wachtmeister, als Hellseher. Ich sehe es den Leuten an der Nas an. Und was nicht auf der Nas geschrieben steht, dat erfahre ich als Friseur.«
    »Sie geben also zu, in einer Anzahl von Fällen Erpressungen vorgenommen zu haben, dadurch, daß Sie unter Androhung der Anzeige sich ungerechtfertigt bereichert haben.«
    »Nein, Herr Wachtmeister, ich sagte Ihnen schon: Mein Tätigkeit war ehrenamtlich.«
    »Sie haben den Leuten Geld abgefordert und das Geld auch angenommen.«
    »Jawohl, Herr Wachtmeister, aber nur kassiert! Und dann hab ich es abgeführt an den Pfarrer, als Spende für die neuen Glocken.«
    Derendorf fährt in die Höhe: »Und der Pfarrer hat derart merkwürdige Gelder angenommen?«
    »Ohne mit der Wimper zu zucken, Herr Wachtmeister. Denn der hat es ja nit gewußt. Die guten Werke tu ich heimlich, und das Geld, dat steck ich immer in den

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