Heinrich Spoerl
Fragen an Sie stellen.«
Das blonde Geschöpf hält sich mit der flachen Hand den Ausschnitt zu: »Ach ja! Und wann soll ich zu Ihnen kommen?«
»Wir können das gleich hier erledigen.«
Das blonde Geschöpf hat hinter sich die Tür ins Schloß gezogen: »Ach hier? So im Stehen? In dem kalten Flur?«
»Gehen wir in Ihr Zimmer!« Und Derendorf will durch die Tür. Aber das blonde Geschöpf schiebt sich mit ganzer Kraft dazwischen, erhebt sich auf die Zehenspitzen und erklärt hoheitsvoll und bestimmt: »Das kommt nicht in Frage! Ich empfange auf meinem Zimmer keinen Herrenbesuch! Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben.«
Derendorf lächelt: »Doch. Und deshalb komme ich dienstlich.«
Das blonde Geschöpf drängt ihn zurück: »Oh, das kennt man, dann sind die Männer am schlimmsten.«
Derendorf scheint nachzugeben: »Also gut, ich will Sie nicht weiter mit meiner Person ängstigen. Gestatten Sie nur, daß mein Hund mal eben in Ihr Zimmer sieht.« Drückt schnell auf die Klinke und läßt Max durch die Tür schlüpfen. Im nächsten Augenblick dringt wütendes Gebell aus dem Zimmer, und der klägliche Hilferuf eines Mannes. Das blonde Geschöpf ist bleich geworden: »Nun gehen Sie doch schon hinein!«, fleht sie Derendorf an.
»Da Sie es mir jetzt gestatten!« – Derendorf stolpert über auf dem Boden verstreute, zart weibliche Wäsche und findet einen Mann mit offenem Schlips, der an die Wand lehnt und vor Max kapitulierend die Hände hebt.
»Wachtmeister Derendorf«, legitimiert sich Derendorf.
»Genau so sehen Sie auch aus!«, erwidert der Herr frech.
»Und wer sind Sie, bitte?«
Der Herr zückt einen Ausweis und hält ihn Derendorf patzig unter die Nase: »Außenbeamter des Fürsorgeamtes.«
»Und was tun Sie hier?«
Der Herr grinst ihn herausfordernd an: »Dienstlich, Herr Wachtmeister, dienstlich.« Und bindet in Ruhe seine Krawatte.
»Dienstlich in diesem Hause?«
Der Herr grinst noch unverschämter: »In diesem Hause. Sie sind ja auch dienstlich in diesem Hause, Herr Wachtmeister! Oder –?«
Derendorf will etwas sagen, schluckt es aber lieber herunter und verläßt mit Max – unter dem wiehernden Gelächter des Pärchens – das Zimmer.
***
– Derendorf schreitet in der Wachstube auf und ab und denkt.
»Ganz recht, Herr Wachtmeister«, meint schließlich Gladbach. »Um dagegen vorgehen zu können, brauchen wir sozusagen öffentliches Ärgernis.«
»Und Ärgernis nimmt daran keiner!«, wütet Derendorf.
»Enä«, schmunzelt Neuß, »da jehen die Männer ja nit hin für Ärger, sondern für Freud.«
»Die sollen sich schämen!«
»Dat tun die aber nit; dat jeht mehr privat zu. Und da weiß keiner wat vom anderen, da denkt jeder, er war allein en Don Schuang.«
Derendorf hält im Wandern ein, über sein Gesicht zieht ein erleuchtetes Lächeln: »Wenn das so ist! – Hören Sie mal zu: Sie begeben sich heute Abend zum Haus der Damen – um elf Uhr komme ich auch dorthin – und postieren sich vor die Tür, hinten und vorn, und lassen jeden hinein und keinen heraus.«
***
– Vorn, im Eingang des lebenslustigen Hauses, steht spreizbeinig Neuß und raucht sein Pfeifchen in der untergehenden Sonne.
Und wenn ein Herr über die Straße kommt und in das Haus will, macht Neuß bereitwillig Platz. Dann ist der Herr mißtrauisch: »Darf hier keiner hinein?«
»Aber sicher«, sagt Neuß.
Oder der Herr will wissen: »Warum stehen Sie eigentlich hier?«
»Ich wart auf 'n Chef«, sagt der Neuß, und sagt wieder die Wahrheit. Und der Herr geht beruhigt ins Haus.
Manchmal kommen Schritte die Treppe herunter, und es will jemand hinaus: »Gestatten!«
Neuß rührt sich nicht: »Enä!«
Der hinaus will, möchte aber vorbei: »Nun lassen Sie mich wenigstens raus!«
Neuß, zwischen zwei Pfeifenzügen: »Enä.«
Der hinaus will, versucht vielleicht, den großen Neuß beiseitezudrängen, aber der steht wie einbetoniert.
Dann wird der andere böse: »Erlauben Sie mal!«
»Enä.«
»Sie! Das ist eine Gemeinheit!«
»Dat is et auch«, bestätigt Neuß gemütvoll.
Die rückwärtige Tür des Hauses ist hermetisch verstopft durch den kugeligen Gladbach.
Und was damit bezweckt ist, kann man jetzt auf der Straße hören: Im ersten Stockwerk tobt eine empörte Männerstimme: »Sie, was wollen denn Sie hier?« Und dann eine junge Männerstimme: »Erlauben Sie mal, das ist meine Braut!«
– Ein dröhnender Baß: »Kommen Sie mal raus aus dem Schrank!« – Dann schreit anhaltend eine
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