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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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als Spitze. »Wer dabei war? Ich verbitte mir solche Unverschämheiten!«
    Der Zuschauerraum wittert eine Pikanterie und spitzt hörbar die Ohren. Hedwig kämpft mit den Tränen. Ihr Mann springt ihr bei. Das paßt ihm schon lange nicht. Er beantragt Ausschluß der Öffentlichkeit. – Die Öffentlichkeit ist dagegen.
    Begründung? Zwischen dem Justizrat und dem Amtsanwalt entspinnt sich ein scharfsinniger juristischer Disput, ob und inwieweit die gestohlene Wäsche gegen die öffentliche Sittlichkeit verstößt. In Kommentaren und Reichsgerichtsentscheidungen ist darüber nichts zu finden.
    Unterdessen verkündet der Vorsitzende: »Der Antrag wird abgelehnt.« – Weiter.
    ***
    Das Moselbähnchen verschnauft sich in Brauneberg. Die Portiers sind bereits in festliche Stimmung geraten und genehmigen sich eine Brauneberger Juffer. So treiben sie praktische Geographie. Nur der Stationsvorsteher ist untröstlich.
    ***
    Die Verhandlung neigt sich ihrem Ende zu.
    »Herr Verteidiger?«
    Der Justizrat hat sein wohlerprobtes Rezept. »Ich bitte den Angeklagten zu befragen, ob in seiner Familie vielleicht Fälle von schwerer Trunksucht oder Geisteskrankheit –« Er stockt unter Kempenichs tödlichem Blick – »beziehungsweise, ob er in seiner Jugend vielleicht einmal auf den Hinterkopf gefallen ist?« Kempenich faßt sich mechanisch an den Kopf.
    »Werden noch Anträge gestellt?«
    Justizrat Genius hat Zeugen geladen.
    »Die Zeugen vortreten!«
    Sie sind noch nicht da.
    Dann kann man sie auch nicht vernehmen.
    Der Herr Amtsanwalt hat das Wort. Mit messerscharfer Stimme und ebensolcher Logik führt er aus:
    »Meine Herren, ich kann mich kurz fassen. Wir stehen alle unter dem erschütternden Eindruck dieser Verhandlung. Wenn jemals ein Indizienbeweis mit mathematischer Zwangsläufigkeit die Schuld eines Angeklagten erwiesen hat, dann ist es hier der Fall. Und wenn irgend etwas in der Sache unerklärlich ist, dann ist es höchstens die Kühnheit, mit der die Angeklagten nicht nur ihre Schuld bestreiten, sondern uns hier lächerliche Märchen aufbinden wollen. Wer die Stirn zu solchen Lügen hat, dem ist auch ein Diebstahl zuzutrauen. Ich will nicht behaupten, daß die Angeklagten planmäßig auf Hoteldiebstahl ausgegangen sind, vielleicht haben sie die sich ihnen bietende günstige Gelegenheit benutzt – – –«
    Der Zuschauerraum schlürft die Anklagerede mit sichtlichem Behagen, der Amtsrichter blättert gelangweilt in den Akten, der Kanzleivorsteher Kempenich und seine Ehefrau geborene Enders sacken unter den amtsanwaltlichen Peitschenhieben mehr und mehr in sich zusammen und sind allmählich davon überzeugt, daß sie es gewesen sind, und wollen es nie mehr wieder tun.
    ***
    Die Koblenzer Portiers, denen die durchfahrene Weinkarte Kraft und Freude gegeben hat, sind inzwischen glücklich vor dem Sitzungssaal gelandet. In einem dichten Knäuel stehen sie vor der Tür und hören durch den Spalt noch gerade den Schluß der amtsanwaltlichen Ausführungen:
    »Besonders strafverschärfend fällt ins Gewicht, mit welcher Raffinesse es die Angeklagten verstanden haben, die gestohlene Wäsche rechtzeitig auf die Seite zu schaffen, so daß bei der Haussuchung auch nicht ein einziges Stück mehr gefunden werden konnte. Ich beantrage gegen den angeklagten Ehemann eine Gefängnisstrafe von einem Monat, gegen die angeklagte Ehefrau, die vielleicht als die Verführte anzusehen ist, eine solche von vier Wochen.«
    Nun wird es Zeit, sonst geht das Zeugengeld zum Teufel. Die vereinigten Portiers, lauter stämmige Burschen, drücken den wachhabenden Gerichtsdiener beiseite und strömen mit Gepolter in den Saal.
    Ruhe dahinten!
    Der Richter ist gerade dabei, dem zerknickten Kempenich väterlich zuzureden. Kempenich hat sich nunmehr entschlossen, sein Geständnis zu machen.
    Aber nicht vor all diesen Leuten. Er will es dem Gericht ins Ohr sagen.
    Geht nicht, die Verhandlung ist öffentlich, § 170 des Gerichtsverfassungsgesetzes.
    Dann will er es auf einen Zettel schreiben.
    Geht nicht, die Verhandlung ist mündlich, § 263 der Strafprozeßordnung.
    »Gut, dann sage ich es auf französisch.«
    Was will er?
    In dieser äußersten Todesangst steigen längst verschüttete Vokabeln in ihm auf, und er stackert mit verbissener Entschlossenheit und einer Aussprache, die dem Amtsrichter durch Mark und Bein geht: »Moi – à Cologne – dans la rue haute – mademoiselle de plaisir – une poulie de champagne – un petit dans la

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