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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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und so sah sie auch aus. Sobald sie allerdings den feingeschwungenen Mund auftat und ihr Hochdeutsch mit niederrheinischen Streifen von sich gab – Lieblingsthema: Mich tut der Rücke so weh –, zerrann die Illusion.
    Auch sonst war sie weder mit Temperament noch anderen Geistesgaben überanstrengt. Wer so aussieht, hat das nicht nötig. Eben das wollte Rabanus malen.
    Ria hatte sich das etwas anders vorgestellt. Sie war bereit, der Kunst jedes Opfer zu bringen. Aber sie vermochte nicht einzusehen, wieso ein Maler, der eine Dame zum Malen bestellt, sie auch tatsächlich malen will. Nachdem sie sich damit abgefunden hatte, ging es ihr nicht in den Kopf, daß er es nur auf ihr Gesicht abgesehen hatte, wo sie doch auch im übrigen ganz gut geraten war.
    Nun saß sie glücklich auf dem Modellschemel, blickte mit der ihr anbefohlenen Verträumtheit auf den an der Wand markierten Punkt und versuchte, die Prozedur durch ein munteres Gespräch zu würzen.
    »Trinke mer denn keine Kaffe?«
    »Nein.«
    »Warum denn nit?«
    »Kopf mehr nach rechts.«
    »Och.«
    Nach fünf Minuten: »Mich tut der Rücke so weh.«
    »Ist mir bekannt.«
    »Können Se Klavier?«
    »Nicht sprechen.«
    »Warum denn nit?«
    »Kind, du bist ja so schön – solang du den Schnabel hältst.«
    »Dat sagen se all.«
    Rabanus duzt, wenn er malt. Man braucht sich darauf nichts einzubilden. Er tut es aus Sachlichkeit. Für ihn wird jedes Modell Gegenstand und jeder Gegenstand Modell. Gerade als er den silbernen Reflex in das meertiefe Tropenauge setzte, begann sie von neuem: »Wissen Se dat schon vom Denkmal?«
    »Ja.«
    »Ja.«
    »Sind Se auch heut morjen kucken jejangen?«
    »Nein.«
    »Warum denn nit?«
    »Ich habe das schon in der Nacht gesehen.«
    »Dat können Se mich weismachen.«
    »Ich kam gerade vorüber.«
    »Und da war der Maulkorb schon dran?«
    »Nein, er wurde eben festgemacht.«
    »Mein Jott, und da waren Se noch nit auf der Polizei?«
    »Die Polizei interessiert mich nicht, und wenn sie aus dem Quatsch eine Haupt- und Staatsaktion machen will, dann soll sie sich blamieren, so gut sie kann. – Und jetzt mal stillgehalten.«
    »Wenn Sie der Zeuje machen, dann kommen Se in de Zeitung.«
    »Ruhe!«
    »Da können Se berühmt mit werden, mehr als mit die Bilders.«
    »Verflucht noch mal! Wenn du jetzt nicht die Klappe hältst, dann kann es dir passieren, daß wir doch noch Kaffee trinken, oder wie du das nennst.«
    ***
    Es war bereits Montag Nachmittag. Staatsanwalt von Treskow bebrütet pflichtgemäß sein Aktenstück. Er brütet nicht im Sitzen, sondern marschiert mit langen, harten Schritten in seinem Büro hin und her und wartet auf den schöpferischen Einfall. Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben. Der unter ihm sitzende Landgerichtsrat hat sich schon beschwert und ein anderes Zimmer bezogen.
    Treskow stand gewissermaßen an seiner Majorsecke. Der Maulkorb würde darüber entscheiden, ob er die viel prophezeite Karriere machen oder lebenslänglich als simpler Staatsanwaltschaftsrat nebenherlaufen würde. Vorläufig stand es faul um den Maulkorb. Die Haussuchung war ebenso lächerlich ausgelaufen wie Mühsams Hundefährte. Merkwürdige Duplizität der Lächerlichkeit! Ein Glück, daß Akten schweigen. Und die Fingerabdrücke am Denkmal hatten lediglich ergeben, daß der Täter Handschuhe trug. Offenbar ein gerissener Bursche.
    Wohl war allerlei Geschwätz entstanden. Jemand hatte telephonisch den Namen eines angeblichen Augenzeugen genannt. Mühsam hat ihn geladen und wird ihn morgen früh vernehmen. Eine winzige Hoffnung, mehr nicht.
    Es schlug sechs. Der Sekretär Regen steckte seinen verknitterten Kopf durch die Tür und schob, zum Zeichen der Arbeitsbeendigung, seine Brille mit den kugeligen Gläsern auf die Stirn.
    »Ist noch etwas, Herr Staatsanwalt?«
    »Nein. Leider nein.«
    Das große Gebäude starb allmählich aus. Türen schlugen nebenan und in der Ferne, Schlüssel schlossen, Schritte verhallten in den langen Gängen. Dann wurde es still. Treskow hörte die eigenen Atemzüge und das Ticken seiner Gedanken.
    Eine sinnlose Beklemmung hatte sich ihm in den Nacken gesetzt und ließ nicht mehr locker. Immer wieder blieb er vor dem Asservatenschrank stehen und fand nicht den Entschlui3. Schließlich riß er sich zusammen, schloß das Gefach auf und holte das Behältnis mit dem Maulkorb hervor.
    Er legte das kostbare Stück vor sich hin, wendete es mit einer Pinzette von einer Seite auf die andere, betrachtete es

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