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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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aus der Sache eine Komödie machen wollen, dann bitte an einem anderen Ort. Sie befinden sich hier im Hause des Staatsanwalts von Treskow. Sollten Sie das in Ihrem Übereifer vergessen haben, so ist es an der Zeit, daß ich Sie daran erinnere. – Herbert, ich glaube, die Herren möchten jetzt gehen.«
    Das stimmt zwar nicht ganz, aber da sie es sagt, wird es wahr. Die Beamten kommen sich plötzlich sehr überflüssig und albern vor. Auch Treskow kann sich dieser Einsicht nicht länger verschließen. Er hätte gerne noch den Mantelknopf vorgezeigt, aber freut sich doch, der höheren Gewalt zu weichen, und zieht mit seinem Troß von dannen.
    Als sie fort sind, nimmt Frau von Treskow den Mantel mit in ihr Zimmer und ersetzt den fehlenden Knopf durch einen passenden neuen. Denn sie ist eine gewissenhafte Hausfrau.
    Schibulski, der das Protokoll zu führen hatte, schrieb alles säuberlich in die Akten. Denn er war ein gewissenhafter Beamter.
    ***
    Die Ritterstraße war einmal die vornehmste Straße der Stadt. Das ist lange vorbei. Die Ritter sind ausgestorben, und wenn man heute durch eine der dunklen Torwölbungen geht, riecht es bestenfalls nach Bäckerei oder Sattler, im Seitenbau sägt und flötet ein Schreiner, und hinter dem holprigen Hof wuchert ein Gärtchen, das jedem und keinem gehört und von Staren und Spatzen bevölkert wird. Ganz am Ende, wo niemand mehr hinkommt, versteckt sich unter Gestrüpp und Ranken ein verwunschenes Gartenhaus. Sofern man die schmale Tür findet, die Tag und Nacht unverschlossen bleibt, liest man daran den Namen: Rabanus.
    Einen Vornamen schien der Mann nicht zu haben. Vielleicht war es Bescheidenheit, vielleicht auch Größenwahn oder beides. Bei Leuten dieser Art fließt das ineinander.
    Mit seinem Beruf war es ähnlich. Man kam nicht recht dahinter, ob er überhaupt einen hatte oder gar mehrere. In dem großen, verglasten Raum stand zunächst ein breiter Diwan, der tags zum Rauchen, Nachts zum Schlafen diente und keinerlei Schluß auf einen Beruf zuließ. Ebensowenig tat es der alte Kanonenofen, der mit drohend erhobener Pfeife in der Mitte des Raumes stand und im Sommer den Eisschrank machte. Eine in Betrieb befindliche Staffelei mit einem Stoß fertiger und angefangener Ölbilder und Skizzen deutete auf ernsthafte Malerei und sorgte für einen sympathischen Terpentingeruch.
    An der gegenüberliegenden Seite stand ein betagter gradseitiger Bechsteinflügel, schmal und lang wie eine Kegelbahn, der offenbar musikalischen Zwecken gewidmet war und sich gleichzeitig als Tisch und Bücherbrett nützlich machte. An der rechten Wand breitete sich ein großmächtiges Stehpult aus, mit Stößen von beschriebenen und unbeschriebenen Papieren, die einen verdächtig literarischen Eindruck machten. Die massiven Holzdielen waren mit weißem Sand bestreut und für einen solch vielseitigen Mann überraschend sauber. Dafür waren die gekalkten Wände über und über mit Kohlezeichnungen bemalt, die nicht sämtlich für die Öffentlichkeit geeignet schienen, und ein Teil der Scheiben trug kühne Glasmalereien, insbesondere an der Seite, wo der Diwan stand; dadurch bekam diese Ecke etwas Andächtiges, fast Kirchliches und war den Blicken der Nachbarschaft entzogen, die im übrigen ungehindert den Lebensraum des seltsamen Mannes einsehen konnte und reichlichen Gebrauch davon machte.
    Rabanus wohnte noch nicht lange hier. Wohnen ist übrigens zuviel gesagt. Er hauste: schlief, wenn er keine Lust zum Arbeiten hatte, arbeitete, wenn er ausgeschlafen war, und kümmerte sich einen Dreck um die bürgerlichen und astronomischen Tages- und Nachtzeiten; empfing Freunde, wenn es ihm paßte, und schmiß sie wieder hinaus, wenn er sie leid war.
    An diesem Sonntagnachmittag ging Rabanus keineswegs spazieren, wie es einem gesitteten Bürger ansteht, weder am Rhein entlang noch in den Aaper Wald. Er war zu Hause und hatte Besuch. Ria hieß eigentlich Mariechen Prümper und war einzige Tochter einer gutbeschäftigten Kranzschleifendruckerei. Seit zwanzig Jahren zerbrach die Bastionstraße sich den Kopf, wie diese Carmen mit dem geradegeschnittenen Gemmenprofil, der olivtönigen Haut und dem blauschwarzen Haar in die beiderseits niederrheinische Familie geraten sein mochte. Mariechen Prümper war stolz auf dieses Rätsel und machte aus der Verlegenheit eine Tugend. Sie trug das Nachtschwarze Haar in tiefem Scheitel, steckte nach Bedarf Mohnblumen hinein und tat wie ein Stück Südsee. Man nannte sie Ria di Janeira,

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