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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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vor Freunden und Kollegen, die ihm auf die Schulter klopfen: »Was machen Sie denn hier?«
    Das ist es gerade, was Knittel sucht. Hier ist er ein freier Mann, hier kann er tun und treiben, was er will. Leider weiß er nicht, wie das gemacht wird. Im Kino ist es ihm oft genug vorgeführt worden, aber er hat nicht das rechte Vertrauen dazu, auch nicht zu sich selbst; er hat Lampenfieber.
    Mit diesen Gedanken und Empfindungen läuft er einige Male um die Gedächtniskirche, pendelt über den Kurfürstendamm, studiert die Plakatsäulen und kann sich nicht entschließen.
    Er hat sich etwas verfrüht, es ist erst kurz vor sieben. Für diese Gegend ist es noch Nachmittag. Herren aller Sprachen in weichen Flanellanzügen, Damen aller Farben in wehenden Foulardkleidern sitzen vor den Cafés und Likörstuben, löffeln ihr Eis oder trinken ihren Cocktail.
    Knittel ist nicht gewohnt, ohne Erika auszugehen. Er kommt sich ein bisschen dumm vor. Warum hat er sie nicht mitgenommen? Aber das wäre ja gelacht, wenn er nicht einmal allein losgehen sollte. Dafür ist er Mann, und das ist der Reiz der Sache. Es ist für ihn eine einmalige Gelegenheit des Lebens, er hat Zeit und Geld und Mut. Seine Wünsche wachsen ins Gigantische, er hat unerhörte Ansprüche. Denn er hat fünfzig Mark in der Tasche, und dafür will er den größtmöglichen Gegenwert an Amüsement und Erlebnis erhalten.
    Das ist ungefähr das, was jeder Fremde will. Infolgedessen wendet sich Knittel an die hierfür geschaffene Einrichtung, den Verkehrsverein. Der Kiosk ist gerade noch offen. Knittel bittet um einen Amüsiervorschlag in der Preislage von fünfzig Mark. Der junge Mann ist sehr beflissen. Was es denn sein soll? Vielleicht Kätchen von Heilbronn, oder Klavierabend von Cortot? Nein, das gerade nicht so sehr. Er sei fremd und außerdem Junggeselle. Wenigstens im Moment.
    Der junge Mann versteht, und da er gerade Schluss macht, übernimmt er gern und interessiert Knittels Führung. Auf dem von Knittel begehrten Gebiet allerdings ist er nicht auf der Höhe. Aber dafür weiß er einen pensionierten Schutzmann, der in der Nähe wohnt und von Berufs wegen die einschlägigen Kenntnisse hat. Man holt ihn ab und unterstellt sich seinem Kommando. Leider ist er etwas verjährt; die interessanten Lokalitäten, die er kennt, sind abgerissen oder in Büros und Eisdielen umgewandelt.
    Aber er ist ein lieber, einsichtsvoller Mann und kennt in der Nachbarschaft einen Kellner, der mit solchen Sachen viel zu tun hat. Man geht in die kleine Weinkneipe und hat Glück; der Kellner wird gerade abgelöst und ist bereit, die Leitung der Expedition zu übernehmen.
    Allerdings ist er müde vom Dienst und fussleidend wie alle Kellner. Man muß einen ihm nahe stehenden Taxichauffeur hinzuziehen, der nicht nur die Beförderung übernimmt, sondern auch erstaunlich gute Beziehungen hat.
    Zunächst allerdings hat er Hunger. Die übrigen haben das auch, und der Durst gesellt sich von selbst hinzu. Die vier Gesellen, die Knittel sich verschrieben hat, besorgen sich vorerst eine solide Grundlage, um den kommenden Strapazen gewachsen zu sein, und beratschlagen das Amüsierprogramm. Knittel wird gar nicht mehr gefragt, die vier essen und trinken und reden und bestellen. Knittel hat ein kleines Helles vor sich stehen und macht eine doppelte Feststellung: Erstens, daß seine Ratgeber im Grunde genommen gar nichts wissen und auf den Inseratenteil der Nachtausgabe angewiesen sind. Und zweitens, daß die Spesen der Vorbereitung das Betriebskapital von fünfzig Mark bereits erschöpft haben. Ihm bleiben gerade noch die Groschen für die Heimfahrt.
    Am nächsten Morgen hat Knittel den großen Moralischen.
    Es fängt damit an, daß er vorzeitig wach wird. Er hört, wie es drei Uhr schlägt, vier Uhr. Er sieht, wie der graue Morgen allmählich durch die Vorhänge kriecht. Nun liegt er regungslos mit kristallklaren Gedanken und kann nicht mehr einschlafen. Den Moralischen hat er erwartet. Er weiß, das ist der Preis, mit dem man nachträglich bezahlt, wenn es sehr schön war; er hat ihn bei seinem Vergnügungsplan mit einkalkuliert. Er hatte gehofft, daß es sich lohnen würde. Nun war es gar nicht schön gewesen, dafür fehlen ihm jetzt hundert Mark, an dem Geld, das er zur Polizei bringen will, oder soll, oder muß, es ist schwer, zu entscheiden. Jedenfalls muß er das Loch schleunigst stopfen. Er hat bisher darüber nicht nachgedacht, ist dem Gedanken peinlich ausgewichen, um sich das Vergnügen nicht zu

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