Heinrich Spoerl
drin.«
Für seine zwei Mark bekommt er einen Kuss. Und dann fragt Erika. »Männilein, bist du noch nicht müde?«
Knittel hat keine Zeit, müde zu sein. »Geh nur schon, ich komme nach.«
Erika macht einen Flunsch und wartet ein Weilchen. Dann sagt sie »och«, wippt mit der Schulter und verschwindet ins Schlafzimmer. Die Tür läßt sie ein Stückchen offen.
Knittel ist allein mit sich und seiner Aktenmappe. Er nimmt sie auf den Schoß, befühlt zärtlich ihre prallen Rundungen und denkt angestrengt nach.
Das Geld ist nicht ehrlich. Soviel Geld kann nicht ehrlich sein. Wohin mit dem Geld? Soll er zurück zur Polizei? Da hat er keine schöne Erinnerung, man hat ihn dort sehr schlecht behandelt. Soll er es wegwerfen? Es wäre eine Sünde um die gute Gottesgabe. Außerdem hat er seinen guten Anzug geopfert und ist Spießruten gelaufen.
Er hört, wie Erika ins Bett klettert. Sie ist seine liebe kleine Frau. Sie ist mehr als das, sie ist dazu da, mit ihm Leben, Schicksal und Verantwortung zu teilen. Warum hat er ihr noch nichts davon erzählt? Er hat es den ganzen Tag vorgehabt, aber er wollte erst mit sich selbst ins reine kommen. Jetzt schämt er sich; das sieht beinahe aus wie ein schlechtes Gewissen.
»Erika?«
»–«
»Schläfst du schon?«
»Ja.« nach einer wartenden Pause: »Was hast du denn?«
Knittel nimmt einen Anlauf. »Du, soll ich dir mal eine dolle Sache erzählen?«
»Kannst du auch im Bett.«
»Nein, das kann ich nicht. – Mir ist heute morgen etwas Wahnsinniges passiert, im Zug habe ich einen Mann kennen gelernt, – du wirst es mir vielleicht nicht glauben, aber ich habe hier den Beweis.«
Knittel hat die Aktentasche mit einem kleinen Schlüssel geöffnet. Dann kommen ihm Bedenken. Was wird Erika tun, wenn sie das Geld sieht? Er weiß es genau. Sie wird einen gehörigen Schrecken bekommen, und dann wird sie sagen: »Du gehst sofort zur Polizei und gibst das Geld ab. Wie sich das gehört.« Das allerdings weiß er auch ohne Erika, und den Schrecken kann er ihr ersparen. Also ist es besser, ihr nichts zu sagen. Das Geld wird er morgens abliefern, dazu ist er fest entschlossen. Eigentlich ein bisschen schade um das viele schöne Geld. Bei der Polizei fährt es nutzlos in einem staubigen Geldschrank herum, ihn aber könnte es reich und glücklich machen. Ein Jammer, daß man so ehrlich ist.
Erika wartet immer noch auf die dolle Sache. »Manne, du wolltest mir doch was erzählen, was war denn mit dem Mann?«
»– Ach so – weiter nichts, der hat mir seine Bouillon über den Anzug geschüttet.«
»Über den guten blauen Anzug? – Du, Manne, wo ist der überhaupt, den habe ich noch gar nicht gesehen.«
Knittel überlegt einen Augenblick. »– Ja siehst du, den hat dein kluger Mann sofort zur Reinigung gebracht. Aber der wird wie neu, hat das Fräulein gesagt. Vollkommen neu.«
»Darum bist du den ganzen Tag auch so komisch. Komm, denk nicht daran.« Sie erscheint tröstend in der Tür. »Komm lieber ins Bett.« Sie hat ein langes Nachthemd an und bloße Füße und sieht aus wie ein Weihnachtsengel. Es ist ein einladendes Bild. Knittel hat im Augenblick keine Verwendung dafür, ihm liegt die Aktentasche auf der Seele.
Erika steht immer noch und formuliert ein Ultimatum: »Ich warte jetzt noch zwei Minuten, und wenn du dann nicht kommst, dann schlafe ich schon.« Geht und schließt die Schlafzimmertür hinter sich. Ein bisschen laut, damit er es merkt.
Jetzt ist Knittel ungestört. Es ist hörbar still um ihn. Von der Wand tickt die Küchenuhr ihren hinkenden Gang. Er wartet ein paar Minuten, dann steht er auf, zupft die Fenstervorhänge mißtrauisch zusammen und dreht lautlos den Schlüssel in der Schlafzimmertür, legt dann seine Aktentasche vor sich auf den Tisch und macht sie andächtig auf. Die glatten, grünen Fünfzigmarkscheinpäckchen quellen hervor und rutschen ihm über die Hand. Er befühlt sie mit den Fingerspitzen, ob sie wirklich sind, wiegt sie in der Hand und stapelt sie vor sich auf und zählt leise mit den Lippen.
Er denkt nicht mehr daran, daß dicht hinter der Tür seine Erika liegt und auf ihn wartet und sich über ihn wundert. Das ist sie an Manne nicht gewohnt. Merkwürdig, daß er gerade nach der Reise so verdreht ist. Wahrscheinlich hat er in Halle wieder Ärger mit seinen sächsischen Verwandten gehabt und will es nicht wahrhaben vor ihr. Das gerade ärgert sie am meisten, das macht sie traurig, und darüber schläft sie ein.
In der Küche aber
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