Heinrich Spoerl
möchte. Er schwimmt auf einer Wolke von Glück und Frieden.
Rärrrrr!
Knittel springt hoch, es ist der Wecker.
Nun sitzt er mit wirrem Haar im Bett und hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Er denkt an seine Patentlösung. Wie war das doch? Augenblick mal. Er tastet mit den Gedanken rückwärts, erst behutsam, dann energisch, schließlich wild und verzweifelt. Je mehr er sich quält, desto weiter läuft es vor ihm weg. Er bekommt seinen grandiosen Einfall nicht mehr zusammen. Der Wecker hat ihn zerrissen.
***
Eines Mittags bei Tisch, als die Kinder artig ihr Süppchen löffeln, hat Knittel eine Neuigkeit für Erika: »Weißt du, Kleines, wen ich heute getroffen habe? Kannst du auch nicht wissen, ist ein alter Schulfreund von mir, netter Kerl soweit, nein, den kennst du nicht, der wohnt draußen im Westen, Seitenstraße vom Kurfürstendamm oder ähnlich.«
»Dann bring ihn doch mal mit«, meint Erika.
»Nein, das gerade nicht. Aber der hat eine Art Reklameunternehmen, und da könnte ich für ihn Adressen schreiben, so Abends, weißt du, wo ich nichts zu tun habe.«
»Du bist doch nicht verrückt!«
»Aber Erika, das wird bezahlt. Du glaubst gar nicht, wie gut das bezahlt wird!«
Erika hört auf zu essen: »Was kriegst du denn dafür?«
»Weiß ich noch nicht, zehn Mark vielleicht –«
»Den ganzen Monat?«
»Oder auch hundert, je nachdem. Aber ich glaube nicht, daß ich das mache.«
Erika bekommt vor Aufregung rote Bäckchen. »Wieso denn, das ist doch endlich mal eine gute Idee, so was hättest du längst machen sollen, das tun deine Kollegen doch auch, siehste, die sorgen für ihre Familie. Und dann kannst du mir auch das Haushaltsgeld erhöhen, wenn du wüsstest, wie überhaupt meine Strümpfe aussehen!« Und ist außer sich vor Begeisterung.
Knittel bremst vorsichtig ab: Erstens sei das keine reine Freude, Abends da immer herauszufahren –
»Ja wie, kannst du denn nicht zu Hause arbeiten?«
»Nein, nein, das geht nicht. Das ist doch klar, daß das nicht geht. Und zweitens, liebe Erika, mußt du dich damit abfinden, daß meine Nebenarbeit dem Familienleben abträglich ist. Du wirst dann manchen Abend auf mich verzichten müssen.«
Erika behauptet, das wäre ganz egal, und er solle froh sein, daß er die schöne Gelegenheit hat, und dann hätte sie ihn noch einmal so lieb. Ganz bestimmt.
Aber je mehr Erika auf ihn einredet, desto stärker werden Knittels Bedenken. Auf die Dauer allerdings kann er sich ihren Gründen nicht verschließen. Unter Ächzen und Stöhnen gibt er allmählich nach: »Also, wenn du es durchaus willst. Aber nicht, daß du mir nachher mit Vorwürfen kommst!« – Erika freut sich, daß sie ihn so nett überzeugt hat; sie ist eine tüchtige Frau.
Leider erweisen sich Knittels Bedenken als nicht unbegründet. Das Adressenschreiben ist ebenso anstrengend wie zeitraubend. Knittel muß jeden zweiten Abend weg; es wird immer sehr spät und manchmal noch später, und er kann nicht ausschlafen und ist den nächsten Tag blaß und müde. Dann blickt Erika ihn heimlich von der Seite an. Ist es nicht rührend, wie er für seine Familie schuftet? Er sieht wirklich überarbeitet aus; sie wagt nicht, es ihm zu sagen.
Dafür pflegt sie ihn mit doppeltem Eifer. Er bekommt morgens sein Ei und mittags sein Beefsteak, der Zuschuss zum Haushaltsgeld erlaubt diese Sonderleistung. Und jeden Abend, wenn er schreiben geht, steckt sie ihm zwei fürstliche Stullen, an denen der Schinken fingerlang heraushängt, in die Rocktasche. Ein Jammer, daß er sich nicht die Zeit gönnt und sie meist ungegessen wieder mitbringt.
Wofür Erika allerdings weniger Verständnis hat: Daß er sich zum Adressenschreiben jedes Mal sorgfältig rasiert und reine Strümpfe anzieht und überhaupt auf einmal sehr eitel wird und die Woche zweimal badet. Knittel klärt sie auf: Gerade wenn man untergeordnete Arbeit tut, muß man auf sich halten, sonst glauben die Leute, man hätte es nötig.
In der Tat scheint er hübsch zu verdienen. Er läßt sich zwar im einzelnen nicht darüber aus, aber jede Nacht, wenn er leise ins Bett schlüpft, legt er seiner schlafenden Erika ein Fünfmarkstück auf den Nachttisch.
Manchmal allerdings ist er weniger geräuschlos. Und als er eines Nachts in einer Verfassung nach Hause kommt, die sich Erika durch übermäßige Schreibarbeit nicht erklären kann, wird sie wach und stellt allerlei Fragen. Knittel erweist sich als nicht verhandlungsfähig; kann vom vielen Sitzen nicht mehr stehen,
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