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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Hochbetagt besteigen sie den Mount Everest, lassen sich mit Ende neunzig immatrikulieren, wissen einfach nicht, wohin mit der sinnlosen Lebenserwartung. Blätter, blätter, raschel. Ich kann die Schlagzeile auf der Titelseite erkennen: SO VIEL KRIEGEN RENTNER WENIGER . Der Mann reckt seinen faltigen Schildkrötenhals und schaut missmutig in die Runde. Ich mache so unauffällig wie möglich ein Foto.
    «Was machst du da, Bursche?»
    Ich zeige C. das Bild. Er reagiert überraschend humorlos:
    «Auch du wirst einmal alt und bist dann froh, wenn Vater Staat für dich sorgt.»
    «Für mich muss niemand sorgen und Vater Staat schon gar nicht. Falls es dich interessiert: Laut meinem letzten Bescheid habe ich beim Renteneintrittsalter monatlich 164 Euro zu erwarten.»
    «Da wirst du nicht weit mit kommen.»
    «Weiß ich selber. Aber nenn mir nur einen bedeutenden Menschen, der in Rente gegangen wäre. Goethe, Picasso, Freud, Darwin, Kant, Bach, die haben gearbeitet, bis sie tot umgefallen sind. Einstein, der Unkraut zupft und sich auf die nächste Mahlzeit freut. Absurd.»
    «Absurd finde ich allerdings, dass du dich in eine Reihe mit Universalgenies stellst. Und ich darf dich daran erinnern, dass Freud an einer sehr schmerzhaften Form von Zungenkrebs verreckt ist.»
    «Was hat das denn damit zu tun?»
    «Gleich drei viertel elf. Wir müssen los.»
     
    Der Welcomedrink ist ein ekliger, dickflüssiger Schleim und erinnert von Aussehen, Geschmack und Konsistenz her an den Getränkesirup
Tri Top
. Wenn ich mich recht erinnere, reichte ca. eine halbe Verschlusskappe für ca. einhundert Liter Fruchtjauche, Tri Top dürfte somit das billigste Getränk der Welt gewesen sein. Zum Glück schon lange Geschichte. Oder behauptet sich Tri Top inzwischen im gutsortierten Fachhandel als
Kultgetränk
? Nachdem endlich Ruhe eingekehrt ist, scharwenzelt Boneman ( BONEMAN !) zu einem provisorischen Rednerpult! Allzweckwaffe Boneman, Wundermensch Boneman. Kellner, Animateur, Teacher, Entertainer. In der folgenden halben Stunde erfahren wir alles Wissenswerte über Surfing, Horse-Riding, Swimming with Dolphins, Safari und natürlich Buckelwale. Als er fertig ist, übergibt er das Wort an einen gewissen Walter, der sich als gebürtiger Schweizer vorstellt und einen vierstündigen Angelausflug anbietet. Die Fische könne man abends vom Koch zubereiten lassen. O-Ton Walter: «Es hat mich vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren nach Kenia verschlagen, und glauben Sie mir, es ist eines der schönsten Länder der Welt. Und außerdem: Wenn Gott gewollt hätte, dass ich Kellner geworden wäre, hätte er keine Restaurants erfunden.» Ein Witz. Walter schmunzelt und blickt in leere Gesichter. Typisch deutsch, humorlos bis ins Mark. Das war’s dann mit Welcome. Die Gäste stellen ihre Gläser ab und bilden wie auf Kommando kleine Gruppen. Fröhlich schnatternd stehen sie beieinander und benehmen sich wie alte Bekannte. Schnatter, schnatter, plapper, plapper, tuschel, tuschel. Offenbar wurden bereits erste Freundschaften geschlossen. Wie, wann, wo? Ich habe nichts davon mitbekommen! Schweinerei. Mein Außenseiterstatus auf ewig zementiert. Die negative Strahlung des Ungeselligen. Ich verströme eine Aura des Überflüssigseins, meine Anwesenheit irritiert die anderen, sie möchten, dass ich weggehe. Jahre könnte ich hier verbringen, ohne auch nur einen einzigen Menschen kennenzulernen. Beunruhigend. Halb zwölf, noch eineinhalb Stunden bis zum Mittagstisch.
     
    «Darf ich dich nach deinen heutigen Plänen befragen?»
    Eine seiner gebräuchlichsten Formulierungen: «Darf ich dich befragen …» Nicht: «Was machen wir jetzt?» oder «Und nun?» oder «Hast du irgend’ne Idee?» C. fragt nicht, er befragt. Er lädt auch gerne ein, allerdings werden Einladungen grundsätzlich nur dann ausgesprochen, wenn sie ihn nichts kosten. «Darf ich dich einladen, mich an den Pool zu begleiten?/Darf ich dich einladen, mit mir gemeinsam das Mittagessen einzunehmen?» Und, Gipfel C.’scher Einladungskultur: «Darf ich dich einladen, einen Blick aufs Meer zu werfen?»
    «Pläne? Um 13 Uhr 30 Mittagstisch, danach Pool, 16 Uhr Tasse Cappuccino am Kaffeerund.»
    C. nickt. Jeder andere hätte beim Wort Kaffeerund gestutzt; er jedoch scheint genau zu wissen, was gemeint ist. So was ist wiederum gut und wichtig, ganz wichtig und gut. Und angenehm. Und überhaupt. Er schaut kopfschüttelnd auf sein Handy.
    «Seit Stunden hat mich außer A. weder jemand angerufen noch mir eine

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