Heinz Strunk in Afrika
SMS geschickt.» A. ist seine Freundin.
«Man darf eben niemandem erzählen, dass man wegfährt, schon gar nicht, wenn es auf einen anderen Kontinent geht. Die Leute ruinieren sich doch nicht freiwillig.»
«Wir sind achttausend Kilometer von der Heimat entfernt, da ist es doch ganz normal, wenn man sich isoliert fühlt.»
«Ja.»
Wir schlurfen zurück zum Pool.
«Eins, zwo, eins, zwo, drei, vier.»
C. raucht trotz Krankheit eine nach der anderen.
«Bursche?»
«Ja?»
«Wir sollten den Realitäten ins Auge schauen. Ich bin krank, du bist ohne Gepäck, das Hotel entspricht keinesfalls den Erwartungen. Wenn wir der Reise noch etwas Sinn einhauchen wollen, sollten wir zügig die Arbeit am Drehbuch aufnehmen.»
«Wie, wann? Gleich heute schon?»
«Worauf willst du warten? Uns bleiben abzüglich des Rückreisetages gerade mal eben zehn Tage. Das ist einigermaßen wenig für ein Treatment.»
«Hast ja recht.»
Ich erläutere ihm meine Idee mit dem Lebensborn, er zeigt sich wenig begeistert.
«Ach, Nazikram, das ist doch total durchgenudelt, will kein Mensch mehr sehen. Warum versuchen wir uns nicht mal an einer hundertprozentigen Komödie ohne Netz und doppelten Boden. Pointierte Dialoge, überraschende Wendepunkte, Verwicklungen, Albernheiten am laufenden Band. Pass auf: Ich nenne jetzt ein Stichwort, und du sagst, ob es klick macht: Pudelwettbewerb. Die 21. Pudel Open, also offen für Amateure und Profis.»
«Klack. Erzähl mal.»
«Drei Männer, drei Pudel, drei Motive. Ich spiele einen nervösen Unsympathen, du einen aggressiven Unterschichtstypen und unser Freund D. einen melancholischen Eigenbrötler.»
«Weiter.»
«Ich bin Graf Dracul, Nachfahre des originalen Dracula, ein erzkonservativer Tiroler Hundesalonbesitzer.»
«Graf Dracul, wie klingt denn das? Das ist doch Sesamstraße!»
«Jo. Komödien leben von Übertreibungen und Filme von Behauptungen. Weiter: D. ist Radiomoderator, der deutsche Sidekick eines beliebten österreichischen Morning-Man. Seine im Grunde genommen einzige Funktion ist es, sich zur Gaudi der Hörerschaft demütigen zu lassen.»
«Ja.»
«Was ja?»
«Mach mal weiter.»
«Du besitzt selbst keinen Hund, sondern begleitest lediglich deine Freundin, ein bekanntes österreichisches Pornostarlet, das seit Jahren im Hamburger Exil lebt. Eure Beziehung kriselt, und du begleitest sie, weil du für gute Stimmung sorgen willst. Ein Liebeswochenende im schönen Wien.»
«Aha, Wien.»
«Der ganze Film spielt an nur einem Wochenende. Ich werde nach dem Mittagstisch im Netz recherchieren.»
«Wie recherchieren, was recherchieren?»
«Wie das zugeht auf solchen Wettbewerben. Fachbegriffe, Pudellatein, wir müssen uns in die Materie einarbeiten.»
«Von mir aus. Die Reise wäre damit allerdings endgültig keine Urlaubs-, sondern eine Dienstreise, ein Arbeitsurlaub.»
«Nenn es, wie du willst. Jetzt würde ich gern ein Bad im Indischen Ozean nehmen und darf dich einladen, mich zu begleiten.»
Das Wasser ist kochend heiß, dreißig Grad, fünfunddreißig, was weiß ich. Und total verschmutzt. So, wie man sich Reaktorkühlwasser vorstellt. Naja, bestimmt wird’s irgendwann kühler. Sauberer, tiefer. Latsch, watschel, stelz. Nix, das Meer bleibt flach wie Oskar, es kommt mir im Gegenteil vor, als würde die Brühe heißer und heißer. Und heißer und heißer und heißer. Hat keinen Zweck. Aufgabe. Umkehr. Kurz bevor wir den Strand erreicht haben, setzt sich C. unvermittelt hin. Bis zum Bauchnabel hockt er im Wasser. Das sieht vielleicht bescheuert aus.
«Was ist, was machst du da?»
«Siehst du doch. Ein Sitzbad. Im Meer
schwimmen
fällt ja wohl offensichtlich flach. Aber mit einem Sitzbad lässt sich dem
Abenteuer Ozean
auch etwas abgewinnen.»
Meine Güte, Sitzbad. Kaffeerund, Dienstreise. Deutsche im Urlaub. Egal. Ich setze mich zu ihm. Schweigen. Wellenplätschern. Hitze. Angeleint an eine Palme stehen zwei Kamele und warten auf ihren nächsten Ausritt.
C., nach einer Weile: «Siehst du da die Kamele?»
«Ja, sicher seh ich die.»
Pause. C. starrt und starrt und starrt. Schließlich:
«Ich frage mich, ob Tiere politisch eher rechts stehen oder eher links.»
Pause. Er beantwortet sich die Frage selber:
«Beides denkbar.»
Unser Gespräch kommt auf die RTL -Dokusoaps
Raus aus den Schulden
und
Rach, der Restauranttester
. C. vertritt die Meinung, Schuldenexperte Peter Zwegat sei eine grundehrliche Haut, dem die Schicksale seiner Klienten wirklich zu Herzen
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