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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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einzigen Patienten. Weiter warten. C. sieht aus wie einer, der sich bereits aufgegeben hat, die knallrote, geschwollene Nase läuft ohne Unterlass, in seinen Augen liegt fiebriger Glanz. Verzweifelt stochert er in den Ohren, damit sich endlich, endlich der Pfropfen, der Pfropfen, der Pfropfen löst! Karpfenbewegungen. Sein Kopf sackt auf die Brust, unregelmäßiges Schnarchen. Ich gehe nach draußen, um mich aufzuwärmen. Als ich wieder reinkomme, starrt C. auf sein Handy.
    «Nichts. Kein Anruf, keine SMS . Wieso dauert das so lange? Ich halt das alles nicht mehr aus.»
    Endlich wird er von einem onkelhaft wirkenden Arzt ins Behandlungszimmer gebeten. Gleich, da bin ich mir sicher, steht ein neuer Mensch vor mir, und sämtliche Qualen sind vergessen.
    Von wegen. Nach der Behandlung ist vor der Behandlung. Wie die Diagnose lautet, will ich wissen.
    «Ear is blocked.»
    «Das ist ja nun nichts Neues. Aber was
hast
du?»
    «Keine Ahnung. Er hat nur gesagt, dass das Ear blocked ist, und mir diese Tropfen hier gegeben.»
    Er zeigt mir ein kleines, braunes Fläschchen. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass die nicht helfen.
    «Siehst du, spätestens morgen bist du wieder gesund.»
    Er fasst ängstlich nach meiner Hand.
    «Diese lächerlichen Tropfen helfen doch niemals. Ich habe etwas viel Schlimmeres, etwas, wogegen keine Tropfen helfen. So was fühlt man.»
    «Ach was. Du bist nur zermürbt. Aber falls du tatsächlich Bedenken hast, dann geh doch nochmal rein.»
    Er winkt ab.
    «Nein, nein, das kann ich nicht machen, sonst bringe ich ihn gegen mich auf. Er ist bestimmt der einzige Arzt weit und breit. Ich werde die Tropfen jetzt zwei Tage probieren. Die Behandlung hat übrigens einhundertvierzig Euro gekostet.»
    «Oje.»
    «Bitte lass uns zum Pool, ich muss ausruhen.»
    «Wollen wir heute nicht zu dem kleinen Pool auf dem Hügel gehen? Da sind kaum Leute. Du kannst schlafen und wirst nicht gestört. Außerdem bringt das Abwechslung.»
    «Gute Idee. Du bist lieb, Bursche.»
     
    Um den etwa planschbeckengroßen Plumpspool herum gruppieren sich acht Liegen, von denen zwei mit einem seltsamen Gespann belegt sind, auf den ersten Blick eine Mutter/Sohn-Kombination. Die Mutter, etwa sechzig, klein und windschief, trägt einen zu großen, braun-grau-blau gesprenkelten Badeanzug. Ausgeprägter Buckel, kahle Stellen am Schädel; eine Knusperhexe wie aus dem Märchen.
    Der Sohn sieht mit seinem fleischigen, konturlosen Körper aus wie ein altersloses Riesenbaby, ein überdimensionaler Säugling. Mächtige Speckringe schwabbeln über der Badehose, deren Bund so eng geschnürt ist, dass sich an der Hüfte rote Striemen abzeichnen. Sein kreisrundes, rotfleckiges Gesicht wirkt wie eine überreife Frucht, die so weich ist, dass man Dellen in sie hineindrücken kann. Er starrt teilnahmslos vor sich hin und knackt in einem fort mit seinen Gelenken. Babyman Knut. Das ist es! Knusperhexe und Babyman Knut. Knut scheint über geheime Knöchelreserven zu verfügen, die Knackerei will gar nicht aufhören. Als er mit den Fingern fertig ist, macht er mit den Füßen weiter, dann sind die Gelenke an der Reihe. Er umfasst mit der linken Hand das rechte Handgelenk und zieht = knack. Als er die Beine ausstreckt, knacken die Kniegelenke. Je größer die Gelenke, desto tiefer der Knacks. Piiing = kleiner Finger/Zeh. Knööck = Daumen/großer Onkel. Als er fertig ist, beginnt er wieder von vorn. Ein Knack-Perpetuum-mobile. Nach Durchgang zwo greift er hektisch nach einem tarnfarbenen Armeerucksack, den er unter seiner Liege verstaut hat. Als wolle er sich vergewissern, dass nichts geklaut worden ist. Ich stelle mir vor, dass Babyman weder kauen noch beißen mag und der Rucksack daher bis oben voll ist mit Babynahrung. Geschmacksrichtungen Apfel, Kartoffel, Pfirsich und Karotte. Außer dem Offensichtlichen stimmt noch etwas anderes nicht mit Babyman. Je länger man ihn anschaut, desto mehr scheint durchs Säuglinghafte das starre Betongesicht eines Langzeitdepressiven, ein instabiler Tropf in Schräglage, von der wöchentlichen Depotspritze im Gleichgewicht gehalten. Sie wechseln ein paar Worte, die Sprache kann ich nicht identifizieren. Holländisch? Oder irgendwas Skandinavisches. Oder so.
    C. interessiert sich für all das nicht. Den Kopf schief gelegt, versucht er, sich unter leisem Fluchen die Medizin in die Ohren zu träufeln. Die Hälfte geht daneben. Er nimmt ein Buch zur Hand, nach ein paar Minuten rutscht es ihm aus der Hand, sein Kopf

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