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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Mittag over, der Service macht Klarschiff. In C.s regelmäßiges Atmen mischt sich leises Schnarchen. Von Babyman Knut und der Knusperhexe keine Spur, statt ihrer kommen zwei ältere Amipärchen angeschoben. Sie grüßen mich freundlich, ich grüße noch freundlicher zurück. Welche Wohltat: nette,
kultivierte
Menschen, die wissen, was sich gehört. Freundlich, liebenswürdig, mit sich und der Welt ausgesöhnt, umgeben von der Aura großbürgerlicher Milde, von keinen überzogenen Ansprüchen, bohrenden Leidenschaften oder unerreichbaren Zielen durchs Leben gepeitscht. Im Ausland trifft man fast nur auf ältere, gebildete und wohlhabende Amis; die adipöse Mehrheit ist zu dick und zu arm zum Reisen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die beiden Paare miteinander umgehen, lässt darauf schließen, dass sie sich schon seit Ewigkeiten kennen und seither wohl jedes Jahr gemeinsam in den Urlaub fahren. Irgendwann hatte der eine Typ was mit der Frau des anderen, darüber haben sie sich überhaupt erst kennengelernt, aber das ist lange her.
    In C. kommt Bewegung: Er wirft seinen Kopf ruckartig von der rechten zur linken Seite, stöhnt und ächzt, ruft halblaut: «Nein, nein, nein, bitte nicht, ich will nicht.» Ich stupse ihn an. «Nein, nein, bitte nicht, lass mich endlich in Ruhe.» Dann wacht er auf und schaut mich verängstigt an.
    «Bursche, was ist, wie spät ist es?»
    «Viertel nach drei. Wie geht’s, geht’s dir besser?»
    Er macht Karpfenbewegungen und schüttelt verzweifelt den Kopf.
    «Dicht. Beide Ohren, komplett. Komm, lass uns was essen, ich hab Hunger.»
    «Mittagessen wird grad abgeräumt.»
    «Wie bitte? Wieso hast du mich nicht geweckt?»
    «Meine Güte, wie du so fest geschlafen hast, sah es aus, als ob du dich gesund schläfst. Heilschlaf, verstehst du?»
    «Heilschlaf, Heilschlaf! Kaputtschlaf, würde ich sagen. Außerdem musst du schon mir die Entscheidung überlassen, ob ich lieber schlafe oder eine Mahlzeit einnehme.»
    «Das lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern. Dafür schmeckt’s dir nachher umso besser.»
    Er winkt verärgert ab, legt seinen Kopf schief und träufelt sich erneut Tropfen in die Ohren. Wieder rinnt die Hälfte an seinem Hals herunter und mischt sich mit dem Schweiß. Er schaut misstrauisch zu den Amis und fragt mich leise, ob ich die Leute kenne. Ich schüttele den Kopf, C. steht wortlos auf und stakst unbeholfen in den Pool. Ich geh hinterher. Plansch, spritz, plätscher, die Abkühlung scheint ihm gutzutun:
    «Ich bin geneigt, dir doch recht zu geben, Fasten ist in meinem Zustand genau das Richtige. Darf ich dich einladen, gemeinsam mit mir die Hollywoodschaukel aufzusuchen?»
    Geht’s noch?
    «Ja.»
    Die knallgelbe Hollywoodschaukel hat ihre besten Tage lange hinter sich, sie ächzt und knarscht und quietscht, Rostfraß wird ihr bald den Todesstoß versetzen. Bis dahin wird sie unser Lieblingsplatz, so viel ist sicher. Synchrones Schaukeln. Vor und zurück, zurück und vor. C. bereitet es sichtlich Vergnügen. So könnte es weitergehen, ewiges leichtes Schaukeln, leises Quietschen, über uns der wolkenlose, glänzende Himmel, um uns eine ferne, tiefe Stille. Wenn man sich nämlich mal die Mühe macht, genau hinzuhören. Auch meine Stimmung hellt sich auf. Vielleicht geht es mir gerade besser, weil ich keinen Koffer habe. Kein Besitz, um den ich mich sorgen muss, kein Ballast, der mich beschwert. In das Quietschen der Schaukel mischt sich ein neuer Ohrwurm:
Ein graues Haar
. Natürlich von Pur. «Ein graues Haar, wieder geht ein Jahr. Alles Gute, danke, klar. Immer noch ein Grund zu feiern. Ich seh ein graues Haar.» Ich summe die Melodie vor mich hin.
    «Was summst du da, Bursche?»
    «
Ein graues Haar
von Pur.»
    Er reagiert übertrieben gereizt, wenn das meine Methode wäre, ihn auf seinen fortschreitenden Haarausfall hinzuweisen, sei mir das gelungen, na bravo. Nein, entgegne ich, außerdem würden graue Haare und Haarausfall einander gerade ausschließen. Eben, meint C., gegen graue Haare könne man etwas machen, gegen Haarausfall nicht. Er sei in ernsthafter Sorge. Es gebe Männer, denen stehe ein kahler Schädel, er aber habe bedauerlicherweise kein Glatzengesicht, Toupets kämen auch nicht in Frage, weil die verrutschten, außerdem müsse man sie zum Schlafen abnehmen, und er würde darin jedes Mal nach dem Aufwachen einen Mordsschrecken bekommen. Ach was, schmeichle ich ihm, Burt Reynolds, mit dem er eine auffällige Ähnlichkeit habe, trage seit Jahrzehnten

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