Heinz Strunk in Afrika
einunddreißig wird es per SMS das erste Fragezeichen setzen. Murmel, brummel, grummel, Mike hat eine tiefe, sämige, einschläfernde Stimme. Dem Klang nach zu urteilen führt er ein Privatgespräch, für so was habe ich ein Öhrchen. Privatgespräche, obwohl ein Gast ein Anliegen hat!
«Äh, hello, sorry. Jambo.»
Er bedeutet mir mit einer abwehrenden Handbewegung, dass ich mich zu gedulden hätte. Frechheit
… hope, Jo’anna …
«Hello, I am in a hurry, please can you help me?»
Er hält seine Hand an die Muschel und mustert mich, in den Augen unfassbare Arroganz:
«Sir, I am alone. Just a second.»
Acht Uhr neunundzwanzig. Bitte werfen Sie eine Münze ein. C. findet, man habe sich der Höflichkeit halber bereits kurz
vor
der verabredeten Zeit einzufinden. Grummel, murmel, sabbel. Je länger Mike telefoniert, desto mehr moduliert sich seine Stimme ins Soßige, er klingt jetzt wie Barry White mit seinem Barry-White-Brummbärsingsang.
Kenya Sexytalk
. Demütigend. Das ist es, denke ich, er macht das nur, um mich zu demütigen. Ein Negerwitz nach dem anderen kommt mir in den Sinn, obwohl ich eigentlich gar keine Negerwitze kenne. Jaja, als Rassist wird man nicht geboren, zum Rassisten wird man gemacht. Und überhaupt: In Wahrheit ist
er
der Rassist. Brumm, brumm, brumm. Mike mustert mich, wie man ein lästiges Insekt anschaut, bevor man es totschlägt. Sein Gesicht ist zweigeteilt, aus der unteren Partie quillt zärtliches Gebrummel, aus der oberen funkelt blanker Hass. Hasserfüllte Gedanken meinerseits: Du hast nichts geleistet in deinem Leben, du wirst keine Spuren hinterlassen und in einem ereignislosen Restdasein verschwinden.
Haha!
Bitte werfen Sie eine Münze ein.
Acht Uhr einunddreißig. Auch das noch. Zweifrontenkrieg.
Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna.
In meiner Not weiß ich mir nicht mehr anders zu helfen, als einen Hustenanfall vorzutäuschen. Einen schweren Hustenanfall. Ich röchle und rassle und schnaube und huste, bis er endlich kapituliert und einhängt. Was mache ich hier eigentlich? Ist das erbärmlich. Die Nasenflügel meines Feindes zittern vor Wut.
«Sir?!»
«Here, this blanket, it smells.»
Er schnüffelt an der Decke.
«It’s okay.»
«No, it’s absolutely not okay. It smells like strong medicine or something.» Er schmeißt die Decke hinter sich auf den Boden und fragt, ohne mich anzuschauen, nach meiner Zimmernummer. Acht Uhr fünfunddreißig, SMS Nummer drei.
«Bursche, so geht das nicht, wir müssen ernsthaft reden. Das ist jetzt erst der zweite gemeinsame Urlaubstag, und deine Verspätungen überschreiten bereits jetzt jedes erträgliche Maß. Bitte äußere dich dazu.»
«Lass! Es ist gerade etwas Ungeheuerliches vorgefallen, ich bin kurz davor, die Nerven zu verlieren. Lass uns mal ’ne Zeitlang gar nix reden.»
«Das ist zwar keine Lösung, aber bitte.»
Ich bleibe bei Trennkost, C. gibt erneut der kontinentalen Variante den Vorzug: Ham & Eggs & Boiled Eggs & Cheese & Marmalade. Oder müsste es englische Variante heißen? Egal, kontinental passt, klingt groß, riesig, mächtig. Kontinentalplattenverschiebung: Die Eierspeise drückt gegen halb eingespeichelte Brötchenstücke, es kommt zu Verwerfungen. Mampf, schling, schaufel, spachtel.
«So, Bursche, da freundschaftliches Plaudern mit dir nicht möglich zu sein scheint, erlaube ich mir, dich mit meinen heutigen Plänen vertraut zu machen. Nach dem Frühstück werde ich das Medical Care Center aufsuchen, mein Gesundheitszustand hat sich nämlich noch einmal verschlechtert, danke der Nachfrage. Magst du mich begleiten?»
«Selbstverständlich. Mir wäre es nur lieb, wenn wir
jetzt
gingen, damit ich später den Koffer in Empfang nehmen kann.»
«Gut, dann Abmarsch.»
Es ist fast windstill, und die Straße gleißt in der Sonne. Der rasende Flügel der Hitze hat sich über das Land gelegt, denke ich. Kenia stellt schon seit Ewigkeiten die Welt-Laufelite: Wie und wo trainieren die eigentlich bei der Affenhitze?
«Eins, zwo, drei. Eins, zwo. Eins, zwo, drei, vier.»
Bereits nach wenigen Schritten bin ich bis auf die Knochen erschöpft. Im Medical Care Center ist es bitterkalt. Wir setzen uns im Vorraum auf schmale, erbsengrüne Klappsitze. Und warten. Schlotter, schlotter. Die ständigen Temperaturstürze ruinieren todsicher die Gesundheit bzw. das, was noch davon übrig ist. Nach zehn Minuten wird C. von einer Krankenschwester aufgefordert, einen Fragebogen auszufüllen. Wir sind die
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