Heinz Strunk in Afrika
ausschließlich von Hand gepflückte Hochlandtabake, die unter Bedingungen gereift sind, die das Wort Bedingung verdienen. Die Sanitäter drücken ihre Kippen aus und steigen in den Wagen. Ach, ach, ach, wie konnte ich nur so dumm sein aufzuhören. Die Tür des Medical Care öffnet sich, und ein freudestrahlender C. kommt heraus. Er hält mir triumphierend eine orangefarbene Tablettenpackung unter die Nase: Ciprobay 750, Broad-Spectrum Antibiotic.
«Servus, Burschi, hier, die Lösung aller Probleme. Abmarsch.»
«Was ist, was hat er gesagt?»
«Erklär ich dir auf dem Weg. Gleich halb zwölf, die Arbeit ruft.»
C. behauptet, sofort gespürt zu haben, dass der Mann etwas von seinem Job verstehe; wie man ja sowieso immer schon nach wenigen Augenblicken wisse, ob jemand was loshabe, egal ob Arzt oder Klempner oder Astronaut oder sonst was. Die Ohrentropfen seien völliger Unfug gewesen, er habe einen ausgewachsenen Infekt, dem man nur mit Antibiotika beikommen könne. Korrekte Einnahme vorausgesetzt, sei er in weniger als 24 Stunden beschwerdefrei. Endlich. Endlich urlauben
wie alle anderen auch
. Das zu betonen wird er nicht müde. Wie alle anderen auch.
Babyman und seine Mutter schmoren wie festgeklebt auf ihren Liegen. Babyman knackt, der Mund arbeitet gegen die Speichelflut, die Arme speckrund mit Einschnitten an den Gelenken wie eben bei einem fetten Baby. So sitzt er zu Hause auf dem Sofa und pult sich die Flusen aus dem Bauchnabel. Jahraus, jahrein, tagaus, tagein in der gleichen Position. Mit gedankenlos starrem Blick, ausgeflossen wie ein leckes Fass, unberührbar eingenistet in das schönste Jahr seiner Kindheit. Seine Mutter, zu einem Greislein geschrumpft, schon nicht mehr männlich oder weiblich, gehört bereits einem anderen Reich an, dem Reich leichter, verwehbarer Wesen. Das ganze Leben ein Prozess allmählicher Verringerung, sie hat ihr Erwachsenenmaß aufgegeben und den langen Weg durch Alter und Tod bis in jene Fernen eingeleitet, wo sie nur noch ein Nichts ohne Maße ist –
Jaja. Wohl zu viel McEwan gelesen. Von den netten amerikanischen Paaren weit und breit keine Spur. Schade. Dafür setzt sich ungefragt ein dicker Mann im weißen Kaftan zu uns. Ali. Aha. Er sei Moslem, fügt er nach kurzer Pause hinzu. Aha, aha. Und wir? Laber, laber. So, Austria, kenne er gut, erzählt er in erstaunlich gutem Deutsch, er habe ein Jahr in Salzburg gelebt und ein weiteres in Linz. Ein
Österreichkenner
. Irgendwie unglaubwürdig, aber egal. Er versucht einen Witz: Wo steht Europas größte Orgel? In Österreich: acht Millionen Pfeifen. Haha. Beim Lachen entblößt er seine schiefen, stark verfärbten Zähne. Nächster Witz: Was ist weiß und hüpft von Baum zu Baum? Österreichischer Arzt bei der Zeckenimpfung. Auch lustig. C.s Gesicht: versteinert. Verschreinert. Verschmurgelt. Nächster Witz: Wie wurde Österreich geschaffen? Der liebe Gott saß auf der Zugspitze und schnitzte die Menschen. Alles, was ihm nicht gefiel, warf er nach hinten über die Schulter.
C.: «Jaja, ist ja gut. Wir haben es nicht so mit Humor.»
Ali: «Wie? Keinen Humor?»
C.: «Nein, gar nicht. Überhaupt keinen Humor.»
Ali bietet ihm eine Zigarette an, bevor er mit seinem eigentlichen Anliegen rausrückt. Eine zweitägige, von ihm persönlich organisierte Safari, zu der er uns herzlich einladen wolle. C. winkt sofort ab, ein solches Abenteuer komme für ihn unter gar keinen Umständen in Frage, viel zu beschwerlich, außerdem habe er Angst vor Tieren.
Ali: «Aber die kommen doch nicht in den Bus!»
C.: «Doch.»
Diskussion beendet. Ali zuckt mit den Schultern, hier beißt er auf Granit. Schwer atmend erhebt er sich, C. fragt ihn noch, wie das Casino in Mombasa sei und ob da womöglich Kugelautomaten hingen. Und ob es
Clubs
gäbe, in die zu gehen sich lohne. Ali schüttelt den Kopf, das wisse er nicht, Clubs und Casinos seien ihm verboten. Er verabschiedet sich, geht ein paar Schritte, zückt sein Handy und beginnt zu telefonieren, wobei er uns aus den Augenwinkeln beobachtet.
C.: «Wieso darf der da nicht hin. Weil er Moslem ist?»
«Wahrscheinlich.»
«Und wir spielen und trinken und gehen billigen Vergnügungen nach. Schau, sein Handy!»
«Was ist mit dem Handy?»
«Das ist das Todeshandy.»
«Todeshandy, haha.»
«Noch lachst du, Bursche, aber wir werden unserer gerechten Strafe nicht entrinnen. Schau, er wählt, A wie Al Kaida.»
Die Arbeit ruft. Wo waren wir stehengeblieben? Gar nicht leicht, den Faden
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