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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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tauschte die Gagatkette gegen die Perlen, frischte ihr Make-up auf, kämmte sich das Haar, tupfte einen Tropfen Parfum auf den Halsansatz, von dem jetzt mehr als vorher zu sehen war, und trat kaum eine Viertelstunde später wieder in den Flur.»
    RRRR rrrrrrppppsssss …
     
    Als ich aufwache, ist es bereits neun Uhr dreiundfünfzig, o nein, o nein, o nein, das gibt richtig Ärger. Ein Blick aufs Handy, acht SMS , macht zusammen sechsunddreißig Fragezeichen.
    C.s Gesicht sieht aus wie eine niedergebrannte Kerze. «Es ist ein echter Wahnsinn», sagt er mit bis zur Tonlosigkeit abgeflachter Stimme. «Ich frage dich ganz ernsthaft, wie du dir das vorstellst. Gibt es irgendeine Erklärung? Ich möchte verstehen, was in dir vorgeht.»
    «Ich hatte schreckliche Albträume. Um fünf war die Nacht zu Ende, irgendwann bin ich wieder eingeschlafen und habe den Wecker nicht gehört.»
    «Und was bitte war gestern Nacht mit dir los? Wie du dich aufgeführt hast, ist auch durch Trunkenheit weder erklär- noch entschuldbar. Vollkommen irre. Krankhaft. Nicht ich, du musst zum Arzt. Das Ehepaar, dem wir begegnet sind, war kurz davor, den Sicherheitsdienst zu alarmieren. Du gefährdest unsere Freundschaft.»
    Er meint es ernst, todernst sogar. Anderen wurde schon aus weitaus geringeren Gründen die Freundschaft gekündigt.
     
    C. begnügt sich mit Spiegelei und einer Scheibe Toast. Er sei bereits um sechs aufgewacht und habe um halb sieben ein erstes Frühstück eingenommen. Jetzt wolle er bis zum Mittagessen fasten. Ich erkläre ihm, dass man unter Fasten den vollständigen Verzicht sowohl auf feste als auch flüssige Nahrung über einen Zeitraum von wenigstens fünf Tagen verstehe. Alles andere sei Diät. Er schimpft mich einen Klugscheißer. Minutenlanges, eisiges Schweigen, Geschirrschaben, Kiefergymnastik, leises eins, zwo, drei, eins, zwo. Unvermittelt knallt C. seine Kaffeetasse auf den Tisch und sagt, er halte das alles nicht mehr aus, als ob es noch nicht genug wäre, würde er jetzt auch noch an Kopfweh und geschwollenen Lymphdrüsen leiden. Er könne den Arztbesuch unmöglich weiter hinausschieben, da er Angst habe, bleibende Schäden davonzutragen. Ob ich ihn abermals begleiten würde. Selbstverständlich. Sicher. Selbstredend. Natürlich. Klar.
    Drückende Hitze. Wortlos trotten wir nebeneinanderher. Die Stimmung hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Ich fühle mich wie ausgewrungen. Eins, zwo, drei, vier, eins, zwo, eins, zwo, drei, eins, zwo, drei, vier. Es gibt nichts zu reden. Unser Verhältnis ist endgültig zerrüttet, einzig das Treatment hält uns zusammen.
    Im Medical Care scheint es noch kälter zu sein als gestern, wieder ist C. der einzige Patient. Schweigen. Stoffrascheln. Atmen. Vernehmliches, andauerndes Seufzen, Stöhnen, Röcheln, Nase hochziehen, Durchschnaufen. Eine halbe Stunde vergeht, bevor C. von einem freundlichen, untersetzten Mann mit weißem Haarkranz ins Sprechzimmer gebeten wird. Aha, Arztwechsel, Arzt-Rochade. Ich gehe zum Aufwärmen nach draußen. Zwei Sanitäter rauchen, gelehnt an ihren Krankenwagen, eine Zigarette. Rauchpause, herrlich. Durchs Rauchen wird alles schöner: Kaffee, Essen, Alkohol, Telefonieren, Fernsehen, Computer, Gespräche, Spaziergänge, Pausen aller Art, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Gerade die anstrengende geistige Arbeit geht, eingehüllt in eine dichte Rauchwolke, viel leichter von der Hand. Die Packung nehmen, ein Zigarettchen herausfrickeln, das goldene Dupont-Feuerzeug aufschnappen lassen, einen tiefen Zug nehmen, den ersten Satz zu Papier bringen, inhalieren, nächster Satz, inhalieren, schreiben, inhalieren, schreiben, abaschen, inhalieren, schreiben, inhalieren, schreiben, abaschen, ausdrücken, zurücklehnen und das Geschriebene prüfen. Melodie und Rhythmus! Nach einer Viertelstunde die nächste Zigarette. Das Leben bekommt Struktur und ist erfüllt von der Vorfreude auf die nächste Zigarettenpause. Wunder Nikotin: Ist man erregt, entspannt die Zigarette, bei Müdigkeit entfaltet sie eine belebende Wirkung. Das schafft nur die Zigarette. Merke, ein für alle Mal: DER RAUCHER RAUCHT NICHT , WEIL ER PROBLEME HAT , SONDERN WEIL ER KEINE HAT . Am Ende eines erfüllten Raucherlebens wird der Nikotinist eins mit seiner Marke, z.B. der Edelsorte
John Players Navy Cut
. Die kleine, seit Jahrhunderten im Familienbesitz befindliche Manufaktur, deren jährlicher Ausstoß sich auf nicht mehr als eintausend durchnummerierte Stangen beläuft, verwendet

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